Sind in einer Vorsorgevollmacht mehrere einzelvertretungsberechtigte Bevollmächtigte bestellt und erweist sich (nur) einer von ihnen als ungeeignet, kommt die Einrichtung einer Vollbetreuung in den von der Vorsorgevollmacht umfassten Aufgabenbereichen regelmäßig nicht in Betracht, wenn und soweit für die Besorgung der Angelegenheiten des Betroffenen noch ein geeigneter Bevollmächtigter mit Einzelvertretungsbefugnis zur Verfügung steht.

Die Einrichtung einer Kontrollbetreuung kann sich auch auf einen von mehreren Vorsorgebevollmächtigten beziehen.
Ein Betreuer darf nach § 1814 Abs. 3 Satz 1 BGB nur bestellt werden, wenn dies erforderlich ist. An der Erforderlichkeit fehlt es, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten gleichermaßen besorgt werden können (§ 1814 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BGB). Eine wirksame Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen. Eine Betreuung kann aber gleichwohl erforderlich sein, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet. Letzteres ist der Fall, wenn der Bevollmächtigte mangels Befähigung oder wegen erheblicher Bedenken an seiner Redlichkeit als ungeeignet erscheint.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die dieser in Fortbildung des bis zum 31.12.2022 gültigen Rechts entwickelt hatte, durfte der Betreuer zur Wahrung des aus Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Selbstbestimmungsrechts des Betreuten und im Hinblick auf die Schwere des in der Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf liegenden Grundrechtseingriffs die Vorsorgevollmacht nur dann widerrufen, wenn ihm die Befugnis hierzu durch das Betreuungsgericht als eigenständiger Aufgabenbereich ausdrücklich zugewiesen worden war[1]. Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber des reformierten Betreuungsrechts nicht aufgegriffen, nachdem er den Widerruf einer Vorsorgevollmacht durch den Betreuer abweichend vom früheren Rechtszustand von der Erteilung der betreuungsgerichtlichen Genehmigung abhängig gemacht hat (§ 1820 Abs. 5 Satz 2 BGB) und er danach eine zweifache Befassung des Betreuungsgerichts mit dem Sachverhalt vermeiden wollte. Nach der Reform besitzen daher sowohl der Kontrollbetreuer als auch jeder andere Betreuer im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises gleichzeitig die rechtliche Befugnis zum Widerruf einer Vorsorgevollmacht, ohne dass dies bei der Betreuerbestellung besonders angeordnet werden müsste[2].
Sind mehrere einzelvertretungsberechtigte Bevollmächtigte vorhanden und erweist sich (nur) einer von ihnen nicht als geeignet, kann grundsätzlich das Bedürfnis nach einer Überwachung des ungeeigneten Bevollmächtigten und gegebenenfalls einem auf ihn beschränkten Teilwiderruf der Vollmacht bestehen.
Ob die anderen Einzelbevollmächtigten hierzu befugt sind, ist eine Frage der Auslegung der konkreten Vorsorgevollmacht, die in vielen Fällen dahingehend zu beantworten sein dürfte, dass dem Bevollmächtigten jedenfalls die Möglichkeit zum Widerruf der gleichrangigen Vollmacht eines anderen Bevollmächtigten nicht eingeräumt werden soll[3].
Dann kann die gerichtliche Bestellung eines Kontrollbetreuers nach §§ 1815 Abs. 3, 1820 Abs. 3 BGB geboten sein, dessen Tätigkeit sich auch auf einen von mehreren Bevollmächtigten beziehen kann[4].
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 8. Mai 2024 – XII ZB 577/23
- grundlegend BGH, Beschluss BGHZ 206, 321 = FamRZ 2015, 1702 Rn. 10 ff.[↩]
- vgl. BT-Drs.19/24445 S. 248[↩]
- vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2022, 736 f. und FamRZ 2010, 1762, 1763; vgl. hierzu auch Spernath MittBayNot 2021, 425, 429 f., 436 f.; Stascheit RNotZ 2020, 61, 83 f. mwN[↩]
- vgl. Zimmermann Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung, Ehegattennotvertretungsrecht 4. Aufl. Rn. 124[↩]