Die tatrichterliche Feststellung, dass eine 1989 in der ehemaligen DDR abgeschlossene Facharbeiterausbildung zum Wirtschaftskaufmann mit der Spezialisierungsrichtung Industrie mit späterer Anerkennung als Industriekaufmann keine besonderen, für die Betreuung nutzbaren Kenntnisse vermittelt, ist für den Bundesgerichtshof aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Der Betreuer machte insoweit ohne Erfolg geltend, die von ihm im Jahre 1989 in der ehemaligen DDR abgeschlossene Facharbeiterausbildung zum Wirtschaftskaufmann mit der Spezialisierungsrichtung Industrie mit Anerkennung als Industriekaufmann rechtfertige gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG aF einen erhöhten Stundensatz von 33, 50 € bzw. eine erhöhte Fallpauschale nach der Vergütungstabelle B zu § 4 Abs. 3 Nr. 1 VBVG.
Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, die die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat[1].
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Landgericht rechtsfehlerfrei das Vorliegen besonderer und für die Betreuung nutzbarer Kenntnisse des Betreuers verneint.
Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat in der Vorinstanz festgestellt[2], dass die vom Betreuer absolvierte Facharbeiterausbildung auf die Befähigung zur Wahrnehmung technischbetriebswirtschaftlicher Aufgaben ausgerichtet war. Zudem sei sie auf Abläufe in der Industrie spezifiziert und konkret betrieblich ausgerichtet gewesen. Unter Würdigung des vom Betreuer vorgelegten Abschlusszeugnisses hat das Landgericht weiter festgestellt, dass die Ausbildung die Vermittlung von Kenntnissen in den Fächern Staatsbürgerkunde bzw. Marxismus/Leninismus, Betriebsökonomie/Sozialistisches Recht, Rechnungsführung/Statistik, Wirtschaftsmathematik, Spezielle Betriebsökonomie und Spezielle Rechnungsführung/Statistik sowie berufspraktischen Unterricht in den Fächern Betriebsorganisation, Arbeitskräfterechnung, Grundmittelrechnung, Beschaffung und Absatz und Finanzrechnung/Kostenrechnung zum Inhalt hatte. Die Auffassung des Landgerichts, dass es sich bei Fächern wie Marxismus-Leninismus, Wirtschaftsmathematik, Spezielle Betriebsökonomie, Spezielle Rechnungsführung/Spezielle Statistik nicht um betreuungsrelevante Fächer handele, hält sich im Rahmen einer zulässigen tatrichterlichen Würdigung. Gleiches gilt für die Beurteilung des Landgerichts, dass Fachgebiete, welche betreuungsrelevantes Wissen beträfen, lediglich als unspezifischer Teilbereich der komplexen Ausbildung mitbehandelt worden seien, ohne dass mangels besonderer Schwerpunktbildung mit Betreuungsrelevanz davon ausgegangen werden könne, es seien dabei über ein bloßes Grundwissen deutlich hinausgehende Kenntnisse vermittelt worden. Aufgrund dieser Feststellungen begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht im Rahmen der vorgenommenen Gesamtbetrachtung die nur in untergeordnetem Umfang betreuungsrelevanten Inhalte dieser Fächer als nicht zum Kernbereich der Ausbildung gehörend angesehen und die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse durch diese Ausbildung verneint hat[3].
Soweit der Betreuer geltend macht, es seien noch weitere tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, in welchem Umfang auch für die Betreuung nutzbare wirtschaftliche Kenntnisse Teil der Ausbildung des Betreuers waren, ergibt sich bereits aus den getroffenen Feststellungen des Landgerichts, dass die Prüfungsfächer allein schon nach deren Ausrichtung betreuungsrelevante Inhalte lediglich in untergeordnetem Umfang aufgewiesen haben.
Entgegen der Auffassung des Betreuers vermag hieran auch die von der Senatsverwaltung in Berlin festgestellte Gleichwertigkeit der Facharbeiterausbildung mit der eines Industriekaufmanns nichts zu ändern. Denn unabhängig davon, ob die Ausbildung zum Industriekaufmann betreuungsrelevante Kenntnisse im Kernbereich vermittelt, ist im Rahmen der Festsetzung der Betreuervergütung stets eine konkrete Betrachtung des tatsächlichen Inhalts der Ausbildung vorzunehmen und in jedem Einzelfall der Umfang der für die Betreuung nutzbaren Ausbildungsinhalte bzw. deren Anteil an der Gesamtausbildungszeit festzustellen sowie in die Würdigung einzubeziehen, inwieweit diese Kenntnisse selbständiger und maßgeblicher Teil der Abschlussprüfung sind. Dievorzunehmende Prüfung beschränkt sich demnach ausschließlich auf den tatsächlichen Inhalt der vom Betreuer absolvierten Facharbeiterausbildung[4].
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15. Dezember 2021 – XII ZB 101/21
- BGH, Beschluss vom 17.06.2020 XII ZB 350/18 FamRZ 2020, 1592 Rn. 16 mwN[↩]
- LG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 19.01.2021 – 19 T 176/20[↩]
- vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 25.03.2015 XII ZB 558/14 BtPrax 2015, 155 Rn. 5 f.; und vom 22.08.2012 – XII ZB 319/11 , NJW-RR 2012, 1475 Rn. 15 ff.[↩]
- vgl. auch BGH, Beschluss vom 22.08.2012 XII ZB 319/11 NJW-RR 2012, 1475 Rn. 15 ff.[↩]