Die examinierte Krankenschwester als Berufsbetreuer – und ihre Betreuervergütung

Aktuell hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Betreuervergütung für eine examinierte Krankenschwester zu befassen, deren Aufgabenkreis die Gesundheitssorge nicht umfasst.

Die examinierte Krankenschwester als Berufsbetreuer – und ihre Betreuervergütung

In dem zugrundeliegenden Fall war die ausgebildete Krankenschwester als berufsmäßige Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Wohnungsangelegenheiten, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherern, Renten- und Sozialleistungsträgern und Entscheidung über die Entgegennahme und das Öffnen der Post für die mittellose Betroffene bestellt. Sie hat die Festsetzung einer pauschalen Betreuervergütung aufgrundlage der Vergütungstabelle B für den Abrechnungszeitraum vom 02.06.2021 bis zum 1.12.2022 gegen die Staatskasse beantragt.

Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Perleberg hat die Vergütung aufgrundlage der Vergütungstabelle B in Höhe von 2.965, 27 € festgesetzt[1]. Auf die zugelassene Beschwerde der Staatskasse hat das Landgericht Neuruppin die Entscheidung des Amtsgerichts abgeändert und die Vergütung unter Zugrundelegung der Vergütungstabelle A auf 2.389, 33 € festgesetzt[2]. Es sei zwar, so das Landgericht, davon auszugehen, dass die von der Betreuerin abgeschlossene Berufsausbildung zur Krankenschwester eine Ausbildung im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 1 VBVG aF darstelle. Die Fachkenntnisse einer Krankenschwester seien jedoch nicht betreuungsrelevant und damit nicht nutzbar, da der Aufgabenkreis die Gesundheitssorge nicht umfasse. Im Kernbereich der mindestens 2.100 Stunden währenden Ausbildung an der Pflegeschule sei kein betreuungsrelevantes Wissen vermittelt worden, allein 280 Stunden seien auf betreuungsrelevante Inhalte wie „Kommunikation und Beratung personen- und situationsbedingt gestalten“ entfallen. Anders als bei einem Heilerziehungspfleger könne auch nicht festgestellt werden, dass der Betreuerin im Rahmen ihrer Ausbildung über allgemeine Fähigkeiten hinausgehende Sozialkompetenzen in Bezug auf psychisch kranke Menschen vermittelt worden seien.

Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof nun als unbegründet zurückgewiesen:

Nach dem hier gemäß § 18 VBVG anwendbaren § 4 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 VBVG aF obliegt die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, welche die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat[3].

Einer solchen Überprüfung hält die tatrichterliche Würdigung des Landgerichts Neuruppin stand, wonach die von der Betreuerin absolvierte Ausbildung zur examinierten Krankenschwester keine Vergütung nach der Vergütungstabelle B rechtfertigt. Zwar hat sie eine „abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung“ im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 1 VBVG aF absolviert. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht Neuruppin aber den auf dieser Ausbildung beruhenden Erwerb besonderer und für die Betreuung nutzbarer Kenntnisse verneint, weil die Ausbildung nicht im Kernbereich auf die Vermittlung betreuungsrechtlich relevanter Kenntnisse ausgerichtet war.

Besondere und für die Führung der Betreuung nutzbare Kenntnisse im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG aF sind solche, die über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehen und den Betreuer in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen. Solche Kenntnisse sind im Hinblick darauf, dass es sich bei der Betreuung um eine rechtliche Betreuung handelt, regelmäßig Rechtskenntnisse[4].

Besondere betreuungsrelevante Kenntnisse eines Betreuers rechtfertigen einen erhöhten Stundensatz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG aF indessen nur, wenn sie durch die dort genannten Ausbildungen erworben wurden. Es genügt daher nicht, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat. Erforderlich ist vielmehr, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist. Davon ist auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und dadurch das erworbene betreuungsrelevante Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht[5].

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Beurteilung des Landgerichts Neuruppin nicht zu beanstanden, dass die von der Betreuerin absolvierte Ausbildung zur Krankenschwester keine betreuungsrelevante Zielrichtung hatte. Zwar kann angenommen werden, dass eine Krankenschwester über für die Betreuung nutzbare Fachkenntnisse verfügt, wenn ihr Aufgabenbereich die Gesundheitssorge umfasst[6]. Da die Gesundheitssorge im vorliegenden Fall jedoch nicht Gegenstand der Betreuung ist, durfte das Landgericht Neuruppin in tatrichterlicher Verantwortung davon ausgehen, dass ihre durch die Ausbildung erworbenen Kenntnisse für die Führung der Betreuung nicht generell nützlich sind.

Die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse kann allerdings auch dann noch zum Kernbereich einer Ausbildung gezählt werden, wenn die Ausbildung selbst schwerpunktmäßig eine andere Zielrichtung hatte[7]. Dies hat das Landgericht Neuruppin richtig erkannt und daher die gebotene konkrete Betrachtung des tatsächlichen Inhalts der Ausbildung der Betreuerin vorgenommen. Wenn es dabei in tatrichterlicher Verantwortung zu der Beurteilung gelangt ist, dass die Ausbildung der Betreuerin an der Pflegeschule betreuungsrelevante Kenntnisse nicht in erheblichem Umfang vermittelt hat, ist dies nicht zu beanstanden.

Nach den getroffenen Feststellungen umfasste die Ausbildung an der Pflegeschule mindestens 2.100 Stunden mit den Themenbereichen Pflegeprozesse und Pflegediagnostik in akuten und dauerhaften Pflegesituationen verantwortlich planen, organisieren, gestalten, durchführen, steuern und evaluieren (1.000 Stunden), Kommunikation und Beratung personen- und situationsbedingt gestalten (280 Stunden), intra- und interprofessionelles Handeln in unterschiedlichen systemischen Kontexten verantwortlich gestalten und mitgestalten (300 Stunden), das eigene Handeln auf der Grundlage von Gesetzen, Verordnungen und ethischen Richtlinien reflektieren und begründen (160 Stunden) und das eigene Handeln auf der Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen und berufsethischen Werthaltungen und Einstellungen reflektieren und begründen (160 Stunden). Hiervon entfielen nach der Beurteilung des Landgerichts Neuruppin allenfalls 280 Stunden auf allgemein betreuungsrelevante Inhalte, nämlich „Kommunikation und Beratung personen- und situationsbedingt gestalten“. Dies lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betreuerin erkennen.

Die weitergehende Einschätzung des Landgerichts Neuruppin, dass in den übrigen Ausbildungsfächern keine für die Führung einer Betreuung nützlichen Kenntnisse vermittelt worden sein können, ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar sind angesichts der Pflichten des Betreuers, auf den Willen des Betreuten einzugehen, um seine Wünsche zu erkennen und ihnen weitgehend zu entsprechen (§ 1901 Abs. 2 und 3 BGB aF; jetzt § 1821 Abs. 2 und 3 BGB), auch Fachkenntnisse, die den Umgang mit und das Verständnis für die besondere Situation von psychisch Kranken und Behinderten fördern, als für die Betreuung nutzbar anzusehen[8]. Solche Kenntnisse werden etwa bei der Ausbildung zur Heilerziehungspflege vermittelt, die ein umfangreiches Wissen speziell über Behinderung, Pflege, Erziehung, Förderung und Begleitung solcher Personengruppen vermittelt, die von Behinderung bedroht oder (mehrfach) behindert sind[9].

In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Landgericht Neuruppin indessen festgestellt, dass der Ausbildungsgang der Betreuerin keine dem vergleichbare Befähigung vermittelte, da die auf Sozialkompetenzen ausgerichteten Ausbildungsinhalte hauptsächlich in Bezug auf körperlich und nicht psychisch erkrankte Menschen gerichtet gewesen seien.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. Oktober 2024 – XII ZB 249/24

  1. AG Perleberg, Beschluss vom 11.04.2024 – 17 XVII 196/20[]
  2. LG Neuruppin, Beschluss vom 06.05.2024 – 5 T 39/24[]
  3. BGH, Beschluss vom 15.11.2023 – XII ZB 575/21 – MDR 2024, 194 Rn. 7 mwN[]
  4. BGH, Beschluss vom 21.10.2020 – XII ZB 363/20 – Rpfleger 2021, 218 Rn. 14 mwN[]
  5. BGH, Beschluss vom 21.10.2020 – XII ZB 363/20 Rpfleger 2021, 218 Rn. 15 mwN[]
  6. vgl. entsprechend BGH, Beschluss vom 10.02.2021 – XII ZB 158/20 , FamRZ 2021, 799 Rn. 16 f., 23 f. für eine Einzelhandelskauffrau[]
  7. BGH, Beschluss vom 15.11.2023 – XII ZB 575/21 – MDR 2024, 194 Rn. 12 mwN[]
  8. BGH, Beschluss vom 28.10.2020 – XII ZB 143/19 , FamRZ 2021, 305 Rn. 15 mwN[]
  9. BGH, Beschluss vom 28.10.2020 – XII ZB 143/19 , FamRZ 2021, 305 Rn.20 mwN[]