Die ab 2023 geltenden Überprüfungsfristen in Übergangsfällen

Entscheidet das Landgericht nach dem 1.01.2023 über eine Beschwerde in einer Betreuungssache, hat es §§ 294 Abs. 3 Satz 2 und 295 Abs. 2 Satz 2 FamFG in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 04.05.2021[1] und die Übergangsvorschrift des § 493 Abs. 5 FamFG anzuwenden.

Die ab 2023 geltenden Überprüfungsfristen in Übergangsfällen

Dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs liegt ein Fall aus Hamburg zugrunde, in dem sich der 21-jährige Betroffene gegen die erstmalige Einrichtung einer Betreuung in der Hauptsache wendet. Er leidet nach den getroffenen Feststellungen an einer Schizophrenie, derentwegen er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst besorgen kann. In dem Gutachten des Sachverständigen L. ist empfohlen, die Überprüfungsfrist aufgrund der insgesamt schlechten Prognose der Anlasskrankheit auf sieben Jahre festzusetzen. Das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek hat mit Beschluss vom 13.01.2022 gegen den erklärten Willen des Betroffenen eine Betreuung für den Aufgabenkreis Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung und Vermögenssorge eingerichtet, den Beteiligten zu 2 als Berufsbetreuer bestimmt und die Überprüfungsfrist auf den Januar 2025 festgesetzt[2]. Das Landgericht Hamburg hat die Beschwerde des Betroffenen durch Beschluss vom 26.06.2023 zurückgewiesen[3]. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte vor dem Bundesgerichtshof nur insoweit Erfolg, als es die Überprüfungsfrist betrifft:

Maßgeblich für die Anordnung der Betreuung ist das im Zeitpunkt der Entscheidung geltende formelle und materielle Recht. Für die am 26.06.2023 getroffene Entscheidung des Landgerichts war daher bereits die durch das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 04.05.2021[1] mit Wirkung vom 01.01.2023 geänderte Rechtslage maßgebend, soweit nicht – was hier nicht der Fall ist – die in Art. 229 § 54 EGBGB enthaltenen Übergangsvorschriften etwas anderes bestimmen.

Gemäß §§ 294 Abs. 3 Satz 1, 295 Abs. 2 Satz 1 FamFG hat das Gericht über die Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung oder des Einwilligungsvorbehalts spätestens sieben Jahre nach der Anordnung dieser Maßnahmen zu entscheiden. Nach §§ 294 Abs. 3 Satz 2, 295 Abs. 2 Satz 2 FamFG, die mit Wirkung vom 01.01.2023 eingefügt worden sind, hat die erstmalige Entscheidung über die Aufhebung oder Verlängerung spätestens zwei Jahre nach der Anordnung zu erfolgen, wenn die Maßnahme gegen den erklärten Willen des Betroffenen angeordnet worden ist.

Die Verkürzung der Frist für die erstmalige Überprüfung beruht neben der besonderen Erheblichkeit der (andauernden) Grundrechtseinschränkung darauf, dass die angeordnete Maßnahme und ihre Verhältnismäßigkeit erstmals unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der Betreuung danach überprüft werden kann, ob, in welcher Weise und in welchem Umfang es trotz des zumindest anfangs entgegenstehenden Willens möglich und erforderlich war und weiterhin ist, die Angelegenheiten der betreuten Person rechtlich zu besorgen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, ob und inwieweit während der bisherigen Betreuungsführung eine Kooperation und ein Einvernehmen mit dem Betroffenen erreicht werden konnte[4]. Abweichend von dem Regierungsentwurf, der insoweit noch eine maximal dreijährige Überprüfungsfrist vorsah, ist die Frist in den Gesetzesberatungen auf zwei Jahre weiter verkürzt worden, da zu erwarten sei, dass sich schon innerhalb dieses Zeitraums Anhaltspunkte für eine mögliche Aufhebung oder Änderung der jeweiligen Maßnahme ergeben können [5]. Nach der Übergangsvorschrift des § 493 Abs. 5 Nr. 1 FamFG müssen, wenn Betreuung oder Einwilligungsvorbehalt bis zum Ablauf des 30.06.2022 angeordnet wurde, erstmalige Entscheidungen über die Aufhebung oder Verlängerung der Maßnahme abweichend von den in § 294 Abs. 3 Satz 2 und § 295 Abs. 2 Satz 2 FamFG genannten Fristen bis spätestens zum Ablauf des Juni 2024 erfolgen. Durch diese Bestimmung soll unter anderem den Gerichten mehr Zeit eingeräumt werden, um die aufwändige Sichtung der Verfahrensbestände vorzunehmen und die Überprüfung der einzelnen Fälle durchführen zu können[6].

Da es sich im vorliegenden Fall um die erstmalige Anordnung einer Betreuung für den Betroffenen handelt und die Maßnahme gegen seinen erklärten Willen bis zum Ablauf des 30.06.2022 angeordnet worden ist, durfte gemäß § 294 Abs. 3 Satz 2 iVm § 493 Abs. 5 Nr. 1 FamFG keine längere Überprüfungsfrist als bis spätestens zum Ablauf des 30.06.2024 durch das Landgericht bestimmt oder aufrecht erhalten werden.

Der angefochtene Beschluss konnte daher insoweit keinen Bestand haben. Der Bundesgerichtshof konnte auf Grundlage der getroffenen Feststellungen in der Sache abschließend entscheiden und die Überprüfungsfrist auf den 30.06.2024 festsetzen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24. Januar 2024 – XII ZB 321/23

  1. BGBl. I S. 882[][]
  2. AG Hamburg-Wandsbek, Beschluss vom 13.01.2022 – 707 XVII 79/21[]
  3. LG Hamburg, Beschluss vom 26.06.2023 – 301 T 166/23[]
  4. BT-Drs.19/24445 S. 338[]
  5. BT-Drs.19/27287 S. 29[]
  6. BT-Drs.20/5237 S. 96[]