Betreuervergütung nach einem Betreuerwechsel

Die für die Vergütung eines Berufsbetreuers nach § 9 VBVG maßgebende Dauer der Betreuung richtet sich auch bei einem Betreuerwechsel nach der Einrichtung der Betreuung[1].

Betreuervergütung nach einem Betreuerwechsel

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ist für den mittellosen Betroffenen seit 2004 eine Betreuung eingerichtet. Mit Beschluss vom 16.10.2023 wurde die bisherige Betreuerin aus gesundheitlichen Gründen entlassen und ein neuer Berufsbetreuer bestellt. Am 15.02.2024 hat dieser die Festsetzung einer Betreuervergütung für den Zeitraum vom 20.10.2023 bis zum 19.01.2024 in Höhe von 774 € aufgrundlage der für die Vergütung in den ersten drei Monaten vorgesehenen Fallgruppe B 1.02.1 der Vergütungstabelle beantragt. Dem hat er zugrunde gelegt, dass seine Bestellung wie die erstmalige Einrichtung einer Betreuung zu behandeln sei, da die vorherige Betreuerin bereits längere Zeit krankheitsbedingt nicht mehr für den Betroffenen tätig gewesen sei und er die von ihr in der Vergangenheit versäumten Maßnahmen in einem großen Umfang habe nachholen müssen.

Das Amtsgericht Halle (Saale) hat unter Zugrundelegung einer Betreuung ab dem 25. Monat (Fallgruppe B 5.2.1 der Vergütungstabelle) eine Vergütung in Höhe von 397, 50 € festgesetzt und den weitergehenden Antrag zurückgewiesen[2]. Auf die zugelassene Beschwerde des Berufsbetreuers hat das Landgericht Halle den Beschluss aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen[3]. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Vertreterin der Landeskasse, auf die der Bundesgerichtshof nun die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts aufgehoben und die Beschwerde des Berufsbetreuers gegen den Festsetzungsbeschluss des Amtsgerichts zurückgewiesen hat:

Die dem Berufsbetreuer zustehende Vergütung für die berufsmäßige Betreuung des mittellosen, in einer anderen als einer stationären Wohnform lebenden Betroffenen richtet sich nach Fallgruppe B 5.2.1 der Vergütungstabelle.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 VBVG bemisst sich die Höhe der Fallpauschalen – neben weiteren Kriterien – unter anderem nach der Dauer der Betreuung. Hinsichtlich dieser wird bei der Berechnung der Fallpauschalen zwischen den Zeiträumen in den ersten drei Monaten der Betreuung, im vierten bis sechsten Monat, im siebten bis zwölften Monat, im 13. bis 24. Monat und ab dem 25. Monat unterschieden.

Da die Betreuung des Betroffenen seit mehr als 25 Monaten unterbrechungsfrei besteht, kommen die Fallgruppen B 5 der Vergütungstabelle zur Anwendung. Ein Betreuerwechsel ohne Unterbrechung der Betreuung führt nicht zu einem Neubeginn der Betreuung im vergütungsrechtlichen Sinne. Die Berechnung der Dauer der Betreuung nach § 9 VBVG beginnt mit der Einrichtung der Betreuung und läuft bei einem sich daran anschließenden Betreuerwechsel weiter[4].

Entgegen der Auffassung des Landgerichts Halle besteht auch keine Veranlassung, hiervon aus Billigkeitsgründen abzuweichen.

Wie der Bundesgerichtshof bereits zum früheren System der Vergütung nach pauschalem Zeitaufwand entschieden hat, wollte der Gesetzgeber mit der Einführung der Pauschalierung der Vergütung für Berufsbetreuer durch das zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 21.04.2005[5] ein Abrechnungssystem schaffen, das einfach, Streit vermeidend, an der Realität orientiert und für die Berufsbetreuerinnen und -betreuer auskömmlich ist[6]. An dieser Konzeption hat sich auch durch die mit dem Gesetz zur Anpassung der Betreuerund Vormündervergütung vom 22.06.2019[7] erfolgte Einführung von Fallpauschalen anstelle der bis dahin vorgesehenen Kombination aus Stundensatz und Stundenansatz nichts geändert[8].

Grundlage der zu bewilligenden Vergütung ist nicht mehr der dem Betreuer im Einzelfall tatsächlich entstandene, von ihm konkret darzulegende Zeitaufwand, sondern eine von dem tatsächlichen Zeitaufwand unabhängige Pauschale, deren Größe nur von der Betreuungsdauer, dem Aufenthaltsort des Betreuten und davon abhängt, ob der Betreute bemittelt oder nicht bemittelt ist. Für den Wechsel vom ehrenamtlichen Betreuer zum Berufsbetreuer und unter Berufsbetreuern sieht das Gesetz keine Ausnahme von dem Pauschalierungssystem vor. Denn der mit einem Betreuerwechsel regelmäßig einhergehende Mehrbedarf und die Fälle besonderer Betreuungssituationen sind in die gebildeten Pauschalen bereits eingeflossen. Für die Berechnung der Pauschalen nach § 9 VBVG ist daher auch bei einem Betreuerwechsel die erstmalige Bestellung eines Betreuers maßgebend. Denn insoweit ist von dem Erfahrungswert auszugehen, dass der Betreuungsaufwand mit der Dauer der Betreuung abnimmt[9].

Zwar kann davon ausgegangen werden, dass der Arbeitsaufwand des Berufsbetreuers im vorliegenden Fall größer war als bei der Übernahme anderer Betreuungen, die zuvor berufsmäßig durch einen anderen Berufsbetreuer geführt waren. Der Zweck der Vergütungspauschalierung liegt jedoch darin, keine Differenzierung zwischen aufwändigen und weniger aufwändigen Betreuungen zuzulassen. Deshalb ist das Pauschalierungssystem sogar von Anzahl und Umfang der Aufgabenbereiche unabhängig. Der durch eine aufwändige Betreuung entstandene Mehraufwand ist in die Bemessung der Pauschalen eingeflossen. Einen im Einzelfall außergewöhnlich hohen Zeitaufwand kann der Berufsbetreuer aufgrund der der Pauschalvergütung zugrundeliegenden Mischkalkulation durch die weiteren von ihm übernommenen Betreuungen kompensieren. Denn die Mischkalkulation führt dazu, dass der für die Betreuung tatsächlich benötigte Zeitaufwand im Einzelfall geringer, aber auch höher sein kann als der der Pauschalierung zugrundeliegende Durchschnittswert. Auch eine durch Untätigkeit des früheren Betreuers eingetretene faktische Unterbrechung der Betreuung führt nicht zu einer Neuberechnung der Betreuungsdauer bei der Vergütung des nachfolgenden Betreuers. Das Pauschalierungssystem kompensiert den geringeren oder höheren Zeitaufwand durch die Mischkalkulation und schließt Einzelfallbetrachtungen aus[10].

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 2. Oktober 2024 – XII ZB 279/24

  1. im Anschluss an BGH, Beschluss vom 09.05.2012 – XII ZB 481/11 , FamRZ 2012, 1211[]
  2. AG Halle (Saale), Beschluss vom 07.03.2024 – 70 XVII E 22/04[]
  3. LG Halle, Beschluss vom 06.06.2024 – 1 T 63/24[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 09.05.2012 – XII ZB 481/11 , FamRZ 2012, 1211 Rn. 11 ff. mwN[]
  5. BGBl. I S. 1073[]
  6. BGH, Beschluss vom 09.05.2012 – XII ZB 481/11, FamRZ 2012, 1211 Rn. 13 mwN[]
  7. BGBl. I S. 866[]
  8. vgl. BR-Drs. 101/19 S. 2 und BT-Drs.19/24445 S. 395[]
  9. vgl. BGH, Beschluss vom 09.05.2012 – XII ZB 481/11 , FamRZ 2012, 1211 Rn. 14 ff. mwN[]
  10. BGH, Beschluss vom 09.05.2012 – XII ZB 481/11 , FamRZ 2012, 1211 Rn.20 ff. mwN[]