Die länger als ein Jahr andauernde Unterbringung

Aktuell hatte sich der Bundesgerichtshof erneut[1] mit den Voraussetzungen und Begründungsanforderungen für den Fall zu befassen, dass eine Unterbringung für länger als ein Jahr angeordnet oder genehmigt werden soll:

Die länger als ein Jahr andauernde Unterbringung

Dem zugrunde lag ein Fall aus Ingolstadt, in dem sich ein im Jahr 1941 geborener Betroffener gegen die Genehmigung seiner Unterbringung wendet. Er leidet seit einem Verkehrsunfall mit Schädel-Hirn-Trauma an einer hirnorganischen Persönlichkeitsstörung. Für ihn wurde eine Betreuung eingerichtet und eine Berufsbetreuerin bestellt, deren Aufgabenkreis unter anderem die Aufenthaltsbestimmung, die Gesundheitssorge und die Entscheidung über eine Unterbringung umfasst. Im Januar 2023 hat die Betreuerin angeregt, die Unterbringungsbedürftigkeit des Betroffenen zu überprüfen. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme hat das Amtsgericht Ingolstadt den Betroffenen persönlich angehört und durch Beschluss vom 17.07.2023 die Unterbringung des Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis zum 16.07.2024 und in der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung bis zum 16.07.2025 genehmigt[2]. Das Landgericht Ingolstadt hat die Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen[3]. Auf die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat der Bundesgerichtshof die Beschwerdeentscheidung insoweit aufgehoben, als die Beschwerde des Betroffenen gegen die Genehmigung der Unterbringung durch die Betreuerin über den 2.07.2024 hinaus zurückgewiesen worden ist, und das Verfahren im Umfang der Aufhebung an das Landgericht Ingolstadt zurückverwiesen:

Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen zwar die Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen nach § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Denn unter Bezugnahme auf das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten hat das Landgericht die derzeitige Situation rechtsbeschwerderechtlich beanstandungsfrei als für den Betroffenen lebensbedrohlich erachtet und damit die für eine Genehmigung der Unterbringung erforderliche ernstliche und konkrete Gefahr für dessen Leib und Leben bejaht[4].

Zutreffend beanstandet der Betroffene indessen, dass es an einer tragfähigen Begründung für die Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen fehlt, soweit diese die Dauer von einem Jahr übersteigt.

Gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 FamFG endet die Unterbringung spätestens mit Ablauf eines Jahres, bei offensichtlich langer Unterbringungsbedürftigkeit spätestens mit Ablauf von zwei Jahren, wenn sie nicht vorher verlängert wird. Die Befristung auf längstens ein Jahr stellt damit eine gesetzliche Höchstgrenze für die Dauer der Unterbringung dar, die nur unter besonderen Voraussetzungen überschritten werden darf. Wird über die regelmäßige Höchstfrist der geschlossenen Unterbringung von einem Jahr hinaus eine Unterbringung von bis zu zwei Jahren genehmigt oder angeordnet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diese Abweichung vom Regelfall im Hinblick auf den hohen Rang des Rechts auf Freiheit der Person ausreichend zu begründen. Solche Gründe können sich etwa aus konkreten Feststellungen über die Dauer einer notwendigen Therapie oder aus fehlenden Heilungs- und Besserungsaussichten bei anhaltender Eigengefährdung ergeben. Dabei erfordert das im Gesetz genannte Merkmal der „Offensichtlichkeit“, dass die Gründe für eine über ein Jahr hinaus währende Unterbringungsbedürftigkeit für das sachverständig beratene Gericht deutlich und erkennbar hervortreten[5]

Vorliegend ist die Unterbringung des Betroffenen zum ersten Mal genehmigt worden. Konkrete Anknüpfungspunkte für die Annahme, dass mangels Heilungs- und Besserungsaussichten bei anhaltender Eigengefährdung auch nach Ablauf der gesetzlichen Regelhöchstdauer von einem Jahr noch eine Unterbringungsbedürftigkeit bestehen wird, lassen sich den Beschlüssen der Vorinstanzen nicht entnehmen. Das Amtsgericht hat sich insoweit auf die Feststellungen der Sachverständigen bezogen und ausgeführt, dass sich der Gesundheitszustand des Betroffenen aufgrund des Krankheitsbildes bis zur erneuten Überprüfung nicht wesentlich bessern werde, während das Landgericht auf das Sachverständigengutachten vom 21.05.2023 Bezug genommen hat, das eine Unterbringung von zwei Jahren und sodann eine erneute Beurteilung der kognitiven Leistungsfähigkeit des Betroffenen empfohlen habe.

Damit ist die vom Gesetz geforderte „offensichtlich“ lange währende Unterbringungsbedürftigkeit nicht dargelegt. Denn auch das Gutachten vom 21.05.2023 enthält hierzu keine konkreten Ausführungen, sondern beschränkt sich – ohne nähere Begründung – auf die Empfehlung, den Betroffenen zunächst für die Dauer von zwei Jahren unterzubringen. Hinzu kommt, dass die Sachverständige in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 02.07.2023 letztlich keine eindeutige Aussage zur Unterbringungsdauer getroffen, sondern lediglich ausgeführt hat, dass die Unterbringung zunächst für einen Zeitraum von „ein bis zwei Jahren“ erfolgen solle. Daher ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen zugunsten des Betroffenen davon auszugehen, dass eine Unterbringungsdauer von einem Jahr ausreichend ist.

Die Prognose, welche Dauer für die Unterbringung erforderlich ist, ist regelmäßig auf der Grundlage des einzuholenden Sachverständigengutachtens vorzunehmen. Der Fristablauf hat sich dabei grundsätzlich an dem Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens zu orientieren; die Frist beginnt nicht erst mit der gerichtlichen Entscheidung[6]. In Ermangelung anderweitiger Feststellungen kann daher die Unterbringung des Betroffenen in der beschützenden Abteilung einer Pflegeeinrichtung derzeit nur bis zum 2.07.2024 genehmigt werden.

Soweit die Rechtsbeschwerde darüber hinaus rügt, dass die Vorinstanzen keine hinreichenden Feststellungen zur Erforderlichkeit der Unterbringung des Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus getroffen haben, vermag sie hiermit nicht durchzudringen. Vielmehr sind die Feststellungen zusammen mit den in Bezug genommenen Ausführungen der Sachverständigen insoweit noch ausreichend. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Die angefochtene Entscheidung konnte somit im Umfang der Aufhebung keinen Bestand haben. Der Bundesgerichtshof konnte insoweit nicht abschließend in der Sache entscheiden, da diese nicht zur Endentscheidung reif war (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Die Sache war daher gemäß § 76 Abs. 6 Satz 2 FamFG zur Nachholung der notwendigen Feststellungen über die Unterbringungsdauer an das Landgericht zurückzuverweisen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 7. Februar 2024 – XII ZB 458/23

  1. im Anschluss an BGH, Beschluss vom 08.11.2023 – XII ZB 219/23 – MDR 2024, 112[]
  2. AG Ingolstadt, Beschluss vom 17.07.2023 – 17 XVII 890/15[]
  3. LG Ingolstadt, Beschluss vom 08.09.2023 – 24 T 1137/23[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 09.01.2019 – XII ZB 280/18 , FamRZ 2019, 552 Rn. 12 mwN zu § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB[]
  5. BGH, Beschluss vom 08.11.2023 – XII ZB 219/23 MDR 2024, 112 Rn. 12 f. mwN[]
  6. BGH, Beschluss vom 13.04.2016 – XII ZB 236/15 FamRZ 2016, 1065 Rn. 23 mwN[]