Legt der anwaltliche Betreuer des Schuldners im Insolvenzverfahren sofortige Beschwerde gegen einen Beschluss über die Festsetzung der Vergütung des Insolvenzverwalters ein, ergibt die gebotene Auslegung im Regelfall, dass das Rechtsmittel im Namen des Schuldners eingelegt ist.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall setzte das Amtsgericht Delmenhorst – Insolvenzgericht – die Vergütung des Insolvenzverwalters einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer antragsgemäß auf 9.114,73 € fest[1]. Gegen diesen Beschluss hat der Betreuer des Schuldners sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht Oldenburg hat den Beschluss des Insolvenzgerichts abgeändert und die Vergütung einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer auf 1.924,33 € festgesetzt[2]. Auf die vom Einzelrichter zugelassenen Rechtsbeschwerde des Insolvenzverwalters hob der Bundesgerichtshof die Beschwerdeentscheidung auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück an das Landgericht Oldenburg:
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1, § 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthaft. Das Landgericht hat die Rechtsbeschwerde unbeschränkt zugelassen, sodass § 99 Abs. 1 ZPO nicht entgegensteht. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht deshalb unwirksam, weil entgegen § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO anstelle des Kollegiums der Einzelrichter entschieden hat.
Der angefochtene Beschluss unterliegt indes bereits deshalb der Aufhebung, weil er unter Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist. Der Einzelrichter hat bei Rechtssachen, die grundsätzliche Bedeutung haben oder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen, das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 ZPO zwingend dem Kollegium zu übertragen. Bejaht er mit seiner Entscheidung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, entscheidet er aber zugleich in der Sache als Einzelrichter, so ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters, was von dem Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu beachten ist[3].
Für das weitere Verfahren vor dem Landgericht Oldenburg weist der Bundesgerichtshof auf folgende Gesichtspunkte hin:
Es liegt eine zulässige sofortige Beschwerde des Schuldners vor, weil die vom Betreuer des Schuldners eingelegte Beschwerde als eine solche des Schuldners auszulegen ist. Soweit das Landgericht im Rubrum seines Beschlusses den Betreuer als Beschwerdeführer bezeichnet, ist dies unzutreffend.
Prozesserklärungen sind auslegungsfähig. Im Zweifel ist dasjenige gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht verstandenen Interesse entspricht, wobei nicht unter allen Umständen am buchstäblichen Sinn der Wortwahl einer Partei festzuhalten ist[4]. Das Vorbringen des Betreuers vor dem Insolvenz- wie vor dem Landgericht Oldenburg macht deutlich, dass es ihm ausschließlich um die Interessen des Schuldners geht. Ein eigenes Rechtsmittel steht ihm auch nicht zu.
Allein aus der Verwendung der „Ich-Form“ durch den Rechtsanwalt in einem Rechtsmittelschriftsatz – wie im Streitfall durch den anwaltlichen Betreuer des Schuldners – können grundsätzlich keine Zweifel daran aufkommen, dass der Rechtsanwalt gerade in seiner Eigenschaft als Prozessbevollmächtigter seiner Partei für diese das Rechtsmittel einlegen will[5]. Für den Fall, dass der Rechtsanwalt zum Betreuer des Schuldners bestellt ist, gilt Entsprechendes.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. September 2024 – IX ZB 9/24
- AG Delmenhorst, Beschluss vom 18.04.2023 – 12 IK 236/21[↩]
- LG Oldenburg, Beschluss vom 29.01.2024 – 16 T 594/23[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 27.06.2019 – IX ZB 5/19, WM 2019, 1461 Rn. 4 f; vom 18.02.2021 – IX ZB 6/20, ZIP 2021, 642 Rn. 4 mwN zur st. Rspr.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 05.10.2010 – VI ZR 257/08, NJW 2010, 3779 Rn. 4 mwN; Stein/Jonas/Kern, ZPO, 23. Aufl., vor § 128 Rn. 277 ff[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 05.10.2010 – VI ZR 257/08, NJW 2010, 3779, Rn. 5 f[↩]
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