Die geschlossene Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses stellt eine stationäre Einrichtung im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VBVG aF dar.

Es ist nicht generell ausgeschlossen, dass ein zivilrechtlich untergebrachter Betroffener seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 VBVG aF in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses hat. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Aufenthalt erkennbar auf längere Zeit und nicht lediglich auf einen vorübergehenden Verbleib zu Behandlungszwecken ohne nachhaltige soziale Integration angelegt ist, was nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden kann.
Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof für einen Fall, in dem für den geltend gemachten Vergütungsanspruch nach § 18 VBVG das Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz in der ab dem 27.07.2019 (Art. 4 des Gesetzes zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung vom 22.06.2019, BGBl. I S. 866) bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung anzuwenden ist[1] und sich die Höhe der monatlichen Fallpauschale gemäß § 5 Abs. 1 VBVG aF nach der Dauer der Betreuung sowie dem gewöhnlichen Aufenthaltsort und dem Vermögensstatus des Betreuten richtet.
§ 5 Abs. 3 Satz 1 VBVG aF unterscheidet in Bezug auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Betreuten zwischen stationären Einrichtungen und diesen nach § 5 Abs. 3 Satz 3 VBVG aF gleichgestellten ambulant betreuten Wohnformen einerseits und anderen Wohnformen andererseits. Stationäre Einrichtungen sind nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VBVG aF solche, die dem Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung oder Pflege zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden.
Die geschlossene Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses erfüllt die Voraussetzungen für eine stationäre Einrichtung im diesem Sinne. Zwar mag ein Krankenhaus nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht in erster Linie dazu bestimmt sein, seinen Patienten „Wohnraum“ zu überlassen[2]. Gleichwohl wird den Patienten für die Dauer ihres Aufenthalts neben der eigentlichen Heilbehandlung und Pflege rein tatsächlich auch eine Unterkunft gewährt. Ausgehend vom Zweck des § 5 Abs. 3 VBVG aF, dem die Vorstellung zugrunde liegt, dass der Aufwand der rechtlichen Betreuung geringer ist, wenn der Betreute in einer stationären Einrichtung oder einer gleichgestellten ambulant betreuten Wohnform lebt[3], kann grundsätzlich eine Herabsetzung der monatlichen Fallpauschale auch im Falle eines Aufenthalts des Betreuten in einem Krankenhaus gerechtfertigt sein. Denn ebenso wie in einem Pflegeheim wird der Betreute auch in einem psychiatrischen Krankenhaus weitgehend versorgt, wodurch sich der Aufwand für den Betreuer regelmäßig reduziert[4].
Ob eine Person, die zivilrechtlich in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses untergebracht ist, dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründen kann, ist umstritten.
Teilweise wird diese Frage verneint, weil die zivilrechtliche Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus auf eine möglichst kurzfristige Anwendung und damit Aufenthaltsdauer ausgelegt sei[5], sodass eine soziale Integration angesichts der durchschnittlichen Aufenthaltszeiten nicht erfolge[6].
Dagegen geht die wohl überwiegende Meinung davon aus, dass eine in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachte Person dort auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründen kann, insbesondere wenn sie keinen anderen Daseinsmittelpunkt als den der zwangsweisen Unterbringung hat, etwa weil keine Wohnung vorhanden ist, in die sie zurückkehren könnte[7].
Eine vermittelnde Auffassung hält – auch im Falle einer langjährigen zivilrechtlichen Unterbringung – das Hinzutreten weiterer Umstände für erforderlich, um einen gewöhnlichen Aufenthalt der untergebrachten Person in einem psychiatrischen Krankenhaus bejahen zu können. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles sei festzustellen, ob der Aufenthalt zwangsläufig auf längere Zeit angelegt gewesen sei[8].
Zutreffend ist im Ausgangspunkt, dass sich eine schematische Betrachtungsweise verbietet und nicht generell ausgeschlossen ist, dass ein zivilrechtlich untergebrachter Betroffener seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 VBVG aF in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses hat. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Aufenthalt erkennbar auf längere Zeit und nicht lediglich auf einen vorübergehenden Verbleib zu Behandlungszwecken ohne nachhaltige soziale Integration angelegt ist, was nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden kann.4
Einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes hat eine Person dort, wo sie sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (vgl. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I). Es handelt sich um den Ort, an dem die Person sozial integriert ist und ihren auf längere Zeit angelegten tatsächlichen Lebensmittelpunkt hat. Auf den Willen, den Aufenthaltsort zum Mittelpunkt oder Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen, kommt es nicht an. Entscheidend sind vielmehr die tatsächlichen Verhältnisse. Die für einen gewöhnlichen Aufenthalt erforderliche Dauer ist unter Berücksichtigung des jeweiligen Normzwecks nach den Umständen des Einzelfalles zu bestimmen. Dabei ist auch der Zweck der Vorschrift, nämlich die Gewährung einer geringeren Vergütung für einen geringeren Betreuungsaufwand bei einem Aufenthalt des Betreuten in einer Einrichtung, mit zu berücksichtigen[9].
Da sich der gewöhnliche Aufenthalt nicht nach dem Willen der Person, sondern nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt, kann grundsätzlich auch die zwangsweise Unterbringung in einer stationären Einrichtung einen gewöhnlichen Aufenthalt der betroffenen Person begründen. So hat der Bundesgerichtshof im Falle der Verbüßung einer mehrjährigen Haftstrafe durch einen Betreuten die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in der Justizvollzugsanstalt im vergütungsrechtlichen Sinne bejaht[10].
Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass eine Untersuchungshaft regelmäßig keinen gewöhnlichen Aufenthalt des Betreuten in der Justizvollzugsanstalt zu begründen vermag. Denn eine Untersuchungshaft kann jederzeit beendet werden, etwa weil der Haftgrund entfallen ist oder ein dringender Tatverdacht nicht (mehr) besteht. Die Untersuchungshaft ist von vornherein auch nicht auf Dauer angelegt, weil ihr Vollzug wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur unter den Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO aufrechterhalten werden darf[11]. Der Bundesgerichtshof hat indes ausdrücklich dahinstehen lassen, ob bei einer lang andauernden Untersuchungshaft (etwa von einem halben Jahr oder länger) etwas anderes zu gelten hat[12].
Ähnlich wie eine Untersuchungshaft kann die Unterbringung eines Betreuten nach § 1831 Abs. 3 Satz 1 BGB (bis 31.12.2022: § 1906 Abs. 3 Satz 1 BGB) jederzeit beendet werden, wenn ihre Voraussetzungen weggefallen sind. Insofern stellt die gerichtliche Genehmigung lediglich eine Höchstfrist für die Unterbringung dar, die der Betreuer – gegebenenfalls nach ärztlicher Beratung – beenden muss, sobald die Unterbringungsvoraussetzungen nicht mehr gegeben sind[13]. Die Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses erfolgt regelmäßig nur vorübergehend für den Zeitraum der erforderlichen Heilbehandlung. Dieser Umstand gibt dem Verbleib im Krankenhaus grundsätzlich das Gepräge eines vorübergehenden Aufenthalts ohne nachhaltige soziale Integration.
Gleichwohl kann es besondere Ausnahmefälle geben, in denen die Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses erkennbar auf längere Zeit angelegt ist, etwa wenn die betroffene Person auf Dauer einer ärztlichen Behandlung bedarf, die nur im Krankenhaus und nicht in einer anderen (Pflege-)Einrichtung erfolgen kann. In derartigen Fällen kann ausnahmsweise auch im Krankenhaus ein gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 VBVG aF begründet werden.
Solche besonderen Umstände waren für den Bundesgerichtshof im hier entschiedenen Fall indes nicht ersichtlich. Zunächst hielt sich die Betroffene in der Zeit von Ende Mai bis Mitte November 2021 freiwillig zu Behandlungszwecken im Klinikum auf. Dass dieser freiwillige Behandlungsaufenthalt bereits zur Begründung eines neuen Lebensmittelpunkts geführt hat, kann nicht angenommen werden, zumal die Betroffene jederzeit die Möglichkeit hatte, das Klinikum auch wieder zu verlassen. In der Folgezeit genehmigte das Amtsgericht mehrfach die Unterbringung der Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses für jeweils wenige Wochen, wobei die Betroffene zeitweise auch freiwillig im Klinikum verblieb. Die kurzzeitigen Unterbringungen erfolgten ausschließlich vor dem Hintergrund, dass nach Abschluss der Heilbehandlung eine für die Betroffene geeignete Folgeeinrichtung trotz entsprechender Bemühungen des Betreuers zunächst nicht gefunden werden konnte. Der Aufenthalt der Betroffenen im Klinikum hätte also jederzeit enden können und auch deutlich vor dem erst im August 2022 erfolgten Wechsel in die Senioren-Wohngemeinschaft enden sollen. Er war somit gerade nicht auf längere Zeit angelegt. Diese Umstände geben dem Aufenthalt der Betroffenen im Klinikum trotz seiner tatsächlichen Dauer – ähnlich wie bei einer Inhaftierung in Untersuchungshaft – das Gepräge eines vorübergehenden Aufenthalts ohne nachhaltige soziale Integration. Hieran vermag auch der zeitweise freiwillige Verbleib der Betroffenen im Klinikum nichts zu ändern, weil auch dieser nur darauf angelegt war, die Zeit bis zum Wechsel in eine Folgeeinrichtung zu überbrücken. Dabei fällt vorliegend nicht maßgeblich ins Gewicht, dass die Betroffene in Ermangelung einer eigenen Wohnung seinerzeit keine Möglichkeit der Rückkehr in eine solche hatte.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. August 2024 – XII ZB 440/23
- vgl. BGH, Beschluss vom 23.08.2023 – XII ZB 470/21 – Rpfleger 2024, 32 mwN[↩]
- vgl. LG Stendal FamRZ 2007, 500 f.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 05.05.2021 – XII ZB 580/20 , FamRZ 2021, 1314 Rn. 11 mwN[↩]
- vgl. OLG Rostock FamRZ 2007, 1916, 1917; OLG München FamRZ 2007, 83; LG Koblenz FamRZ 2007, 501, 502 und Beschluss vom 13.07.2006 – 2 T 444/06 15[↩]
- LG Stendal FamRZ 2007, 500, 501[↩]
- vgl. BeckOGK/Bohnert [Stand: 15.12.2022] VBVG § 5 Rn. 13.1[↩]
- vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 2007, 1833; Jürgens/Luther Betreuungsrecht 7. Aufl. § 9 VBVG Rn. 8; zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus im Rahmen des Maßregelvollzugs vgl. BayObLG NJOZ 2003, 638, 639; OLG Rostock FamRZ 2007, 1916, 1917; OLG München FamRZ 2007, 83, 84; OLG Köln NJOZ 2006, 4741, 4742; LG Koblenz Beschluss vom 21.08.2006 – 2 T 619/06 7[↩]
- LG Freiburg Rpfleger 2015, 644, 645; vgl. auch MünchKommBGB/Fröschle 9. Aufl. § 9 VBVG Rn. 36; Toussaint/Felix Kostenrecht 54. Aufl. § 9 VBVG Rn. 39; Deinert FamRZ 2005, 954, 957[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 26.03.2014 – XII ZB 256/13 , FamRZ 2014, 1015 Rn. 9; und vom 14.12.2011 – XII ZB 521/10 , NJW-RR 2012, 451 Rn. 12 ff.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 14.12.2011 – XII ZB 521/10 , NJW-RR 2012, 451 Rn. 15 ff.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 26.03.2014 – XII ZB 256/13 FamRZ 2014, 1015 Rn. 13[↩]
- BGH, Beschluss vom 26.03.2014 – XII ZB 256/13 , FamRZ 2014, 1015 Rn. 14[↩]
- LG Freiburg Rpfleger 2015, 644, 645[↩]






