Gegenstand des Beschwerdeverfahrens kann grundsätzlich nur der Verfahrensgegenstand sein, über den im ersten Rechtszug entschieden worden ist. Daher hat das Landgericht bei einer Beschwerde auch über den erstmals in zweiter Instanz gestellten Antrags auf Wechsel des Betreuers zu entscheiden.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens kann grundsätzlich nur der Verfahrensgegenstand sein, über den im ersten Rechtszug entschieden worden ist. Das ergibt sich aus dem Wesen des Rechtsmittelverfahrens, das notwendigerweise keine andere Angelegenheit betreffen darf als diejenige, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung gewesen ist[1].
Nach § 68 Abs. 3 FamFG bestimmt sich das Verfahren einer zulässigen Beschwerde nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht hat danach die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung von Amts wegen vollständig und unabhängig von den erhobenen Rügen sowie den vertretenen Rechtsansichten zu prüfen[2]. Die Beschwerde kann nach § 65 Abs. 3 FamFG auch auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden. Das Beschwerdegericht tritt folglich – in den Grenzen der Beschwerde – vollständig an die Stelle des Gerichts erster Instanz und hat das gesamte Sach- und Rechtsverhältnis, wie es sich zur Zeit seiner Entscheidung darstellt, seiner Beurteilung zu unterziehen[3].
Verfahrensgegenstand im ersten Rechtszug war in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall neben der Erweiterung der Aufgabenkreise der Betreuerin die Aufrechterhaltung der Bestellung der Betreuerin für die bisherigen Aufgabenkreise. Denn das Amtsgericht hat den Antrag der Betreuerin auf Erweiterung der Betreuung zum Anlass genommen, auch zu prüfen, ob der Fortbestand der laufenden Betreuung noch gerechtfertigt ist. Da § 1896 Abs. 1 BGB nicht zwischen Anordnung der Betreuung und Bestellung des Betreuers unterscheidet, sondern vorsieht, dass in einer einheitlichen Entscheidung über die Betreuungsbedürftigkeit und die Auswahl des Betreuers entschieden wird[4], war Gegenstand der Entscheidung des Amtsgerichts nicht nur die Notwendigkeit einer Erweiterung der bestehenden Betreuung, sondern zugleich die Fortdauer der Betreuung durch die Betreuerin. Damit war auch die Auswahl der Person des Betreuers Gegenstand der amtsgerichtlichen Entscheidung[5]. Denn das Gesetz kennt grundsätzlich keine gesonderte, von der Bestellung eines konkreten Betreuers unabhängige Anordnung der Betreuung. Zwar eröffnet seit Inkrafttreten des 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes am 1. Juli 2005[6] § 19 Abs. 1 RpflG den Landesregierungen die Möglichkeit, vom Grundsatz der Einheitsentscheidung abzuweichen und dem Rechtspfleger die Auswahl und Bestellung eines Betreuers zu übertragen, während für die Anordnung der Betreuung und die Bestimmung des Aufgabenkreises der Richter zuständig bleibt. Eine solche Aufteilung liegt hier nicht vor; der nordrhein-westfälische Gesetzgeber hat von der Ermächtigung in § 19 Abs. 1 RpflG bislang keinen Gebrauch gemacht.
Die Entscheidung über die Auswahl des Betreuers war somit auch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Das Landgericht musste deshalb über das Verlangen der Betroffenen, ihren Ehemann zum Betreuer zu bestellen, entscheiden.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 5. Januar 2011 – XII ZB 240/10
- BGHZ 75, 375, 378; Keidel/Sternal 16. Aufl. § 68 FamFG Rn. 88 mwN[↩]
- Keidel/Sternal 16. Aufl. § 68 FamFG Rn. 86 mwN[↩]
- BayObLG FamRZ 1994, 1068[↩]
- Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des Betreuungsgesetzes, BT-Drs. 11/4528 S. 118 f.; MünchKomm-BGB/Schwab 5. Aufl. § 1896 Rn. 126 ff.[↩]
- BGH, Beschluss vom 15.09.2010 – XII ZB 166/10, FamRZ 2010, 1897 Rn. 17[↩]
- BGBl. 2005 I S. 1073, Art. 12[↩]