Unterbleibt bei Anordnung der vorläufigen Betreuung wegen Gefahr im Verzug die unverzügliche Nachholung der Anhörung, kann dieser Verfahrensverstoß nicht mehr rückwirkend geheilt werden.

Die Betroffene wird in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem sie nter vorläufige Betreuung gestellt wird, ohne hierzu jemals persönlich angehört worden zu sein.
In einem Betreuungsverfahren kommt dem Recht des Betroffenen, auf die Sachverhaltsermittlung und Entscheidungsfindung des Betreuungsgerichts durch Anhörungen und Stellungnahmen einwirken zu können, besondere Bedeutung zu [1]. Dies gilt in besonderem Maße für die persönliche richterliche Anhörung.
Wird die vorläufige Betreuung wegen Gefahr im Verzug ausnahmsweise ohne vorherige Anhörung der Betroffenen eingerichtet, so ist dies verfassungsrechtlich unbedenklich; die Anhörung ist dann jedoch – wie in § 301 Abs. 1 Satz 2 FamFG auch einfachrechtlich vorgeschrieben – unverzüglich nachzuholen. Erforderlichenfalls muss hierfür das Amtshilfeverfahren genutzt werden. Unterbleibt die Anhörung, liegt hierin eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Entsprechend wird die Betreuungsanordnung nachträglich rechtswidrig [2].
Auch eine spätere Anhörung kann diesen Verfassungsverstoß dann nicht mehr rückwirkend, sondern nur noch als Grundlage der fortdauernden Betreuung in der Zukunft heilen. Für den Zeitraum zwischen dem Datum, an dem die persönliche Anhörung ohne schuldhaftes Zögern frühestens hätte erfolgen können, und ihrer tatsächlichen Nachholung leidet die dennoch aufrechterhaltene Betreuungsanordnung an der Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Dementsprechend ist dies bei einem nachfolgenden Feststellungsverfahren zur Rechtmäßigkeit der Betreuungsanordnung fachgerichtlich zu prüfen und gegebenenfalls festzustellen. Dem widerspricht es, wenn das Landgericht in der Entscheidung über die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Betreuungsanordnung bejaht, ohne auf die Rüge der fehlenden Anhörung einzugehen.
Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht im vorliegenden Fall die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen: Die Betroffene hat gegen den – in Bezug auf die Anordnung der vorläufigen Betreuung – letztinstanzlichen Beschluss des Landgerichts nicht die Anhörungsrüge des § 44 FamFG erhoben; diese gehört zum Rechtsweg im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG [3].
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. Juli 2015 – 1 BvR 2516/13
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.01.2011 – 1 BvR 2539/10, NJW 2011, S. 1275, 1276; Beschluss vom 02.07.2010 – 1 BvR 2579/08, NJW 2010, S. 3360, 3361[↩]
- so auch Bucic, in: Jurgeleit, Betreuungsrecht, 3. Aufl.2013, § 301 FamFG Rn. 4; Kretz, in: Jürgens, Betreuungsrecht, 5. Aufl.2014, § 301 FamFG Rn. 4[↩]
- vgl. BVerfGE 122, 190, 198; BVerfG, Beschluss vom 20.06.2012 – 2 BvR 1565/11[↩]