In einem Unterbringungsverfahren ist das Sachverständigengutachten grundsätzlich mit seinem vollen Wortlaut an den Betroffenen persönlich bekanntzugeben. Davon kann nur unter den Voraussetzungen des § 325 Abs. 1 FamFG abgesehen werden[1].
Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Grundlage einer Entscheidung in der Hauptsache setzt gemäß § 37 Abs. 2 FamFG voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Insoweit ist das Gutachten mit seinem vollen Wortlaut im Hinblick auf die Verfahrensfähigkeit des Betroffenen (§ 316 FamFG) grundsätzlich auch ihm persönlich zur Verfügung zu stellen. Davon kann nur unter den Voraussetzungen des § 325 Abs. 1 FamFG abgesehen werden[2].
Diesen Anforderungen wurde das vorliegende Verfahren nicht gerecht.
Weder aus den Feststellungen des Landgerichts noch aus den Gerichtsakten lässt sich entnehmen, dass der Inhalt des Gutachtens dem Betroffenen in vollem Umfang bekannt gegeben worden ist. Ausweislich des Protokolls des Amtsgerichts über den am 5.10.2017 durchgeführten Anhörungstermin wurde das Gutachten lediglich mit dem Betroffenen erörtert. Dies genügt den verfahrensrechtlichen Anforderungen nicht, weil dem Betroffenen damit die Möglichkeit genommen wird, sich auf den Anhörungstermin ausreichend vorzubereiten und durch die Erhebung von Einwendungen und Vorhalte an die Sachverständige eine andere Einschätzung zu erreichen. Ebenso wenig enthält das Sachverständigengutachten einen Hinweis darauf, dass der Betroffene durch dessen Bekanntgabe Gesundheitsnachteile entsprechend § 325 Abs. 1 FamFG zu befürchten hätte[3].
Dieser Verfahrensmangel wurde im Beschwerdeverfahren nicht geheilt. Das Landgericht hat zwar den Betroffenen erneut angehört und im Rahmen des Anhörungstermins eine ergänzende mündliche Stellungnahme der Sachverständigen eingeholt. Es hat es jedoch versäumt, vor dem Anhörungstermin dem Betroffenen das Sachverständigengutachten in seinem vollen Wortlaut zu übersenden.
Der angefochtene Beschluss konnte daher keinen Bestand haben. Der Bundesgerichtshof konnte in der Sache nicht abschließend entscheiden, da er die fehlerhaften Verfahrenshandlungen nicht selbst nachholen und die erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen konnte.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. Mai 2018 – XII ZB 14/18
- im Anschluss an BGH, Beschluss vom 08.03.2017 – XII ZB 516/16 , FamRZ 2017, 911[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 08.03.2017 – XII ZB 516/16 , FamRZ 2017, 911 Rn. 5 mwN zur Unterbringung; und vom 16.09.2015 – XII ZB 250/15 , FamRZ 2015, 2156 Rn. 15 mwN zur Betreuung[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 08.03.2017 – XII ZB 516/16 , FamRZ 2017, 911 Rn. 6[↩]