Unterbringung für mehr als ein Jahr – und die Begründung der Unterbringungsentscheidung

Zu den Voraussetzungen und Begründungsanforderungen, wenn eine Unterbringung für länger als ein Jahr angeordnet oder genehmigt werden soll, hat der Bundesgerichtshof erneut[1] Stellung genommen:

Unterbringung für mehr als ein Jahr – und die Begründung der Unterbringungsentscheidung

In dem hier entschiedenen Fall wendet sich der Verfahrenspfleger gegen die Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen. Dieser leidet an einem Alkoholabhängigkeitssyndrom, einer kortikalen Hirnatrophie, einer organischen Persönlichkeitsstörung mit Frontalhirnsyndrom, einer bipolaren affektiven Störung und an weiteren behandlungsbedürftigen organischen Erkrankungen. Er war in der Vergangenheit bereits mehrfach geschlossen untergebracht. Auf Antrag des Betreuers hat das Amtsgericht Zittau nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung des Betroffenen dessen Unterbringung in der geschlossenen Abteilung einer sozialtherapeutischen Wohnstätte bis zum 14.02.2026 genehmigt[2].

Das Landgericht Görlitz hat die Beschwerde des Verfahrenspflegers zurückgewiesen[3]. Die Unterbringung des Betroffenen nach § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB sei aufgrund seiner Erkrankungen unbedingt erforderlich. Die Sachverständige gehe davon aus, dass eine erhebliche Eigengefährdung des Betroffenen vorliege und eine langfristige, die Höchstfrist von zwei Jahren ausschöpfende geschlossene Unterbringung des Betroffenen durchzuführen sei. Nur so bestehe die Möglichkeit einer erfolgreichen Therapie, die eine erhebliche Verschlimmerung des Krankheitsbildes beim Betroffenen zumindest vermeide. Der Betroffene sei nicht krankheitseinsichtig, nicht behandlungseinsichtig und aufgrund seiner Erkrankung und des aus ihr resultierenden Wahnbildes derzeit nicht in der Lage, seinen Willen frei zu bestimmen. Die von ihm verweigerte Behandlung sei unbedingt erforderlich, um eine weitere Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu verhindern. Weniger einschneidende Maßnahmen könnten zwar eventuell dazu beizutragen, die notwendige Behandlung zu unterstützen, seien aber nicht geeignet, die Unterbringung zu ersetzen.

Hiergegen wendet sich der Verfahrenspfleger mit seiner Rechtsbeschwerde, auf die der Bundesgerichtshof die Beschwerdeentscheidung aufgehoben und die Sache an das Landgericht Görlitz zurückverwiesen hat, soweit sie sich gegen die über den 22.01.2025 hinausgehende Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen richtet; die Begründung des Landgerichts hielt der rechtlichen Nachprüfung durch den Bundeesgerichtshof nicht in allen Punkten stand:

Die getroffenen Feststellungen tragen zwar die Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen nach § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Denn unter Bezugnahme auf das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten hat das Landgericht die derzeitige Situation rechtsbeschwerderechtlich beanstandungsfrei als für den Betroffenen lebensbedrohlich erachtet und damit die für eine Genehmigung der Unterbringung erforderliche ernstliche und konkrete Gefahr für dessen Leib und Leben bejaht[4].

Zutreffend beanstandet der Verfahrenspfleger indessen, dass es an einer tragfähigen Begründung für die Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen fehlt, soweit diese die Dauer von einem Jahr übersteigt.

Gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 FamFG endet die Unterbringung spätestens mit Ablauf eines Jahres, bei offensichtlich langer Unterbringungsbedürftigkeit spätestens mit Ablauf von zwei Jahren, wenn sie nicht vorher verlängert wird. Die Befristung auf längstens ein Jahr stellt damit eine gesetzliche Höchstgrenze für die Dauer der Unterbringung dar, die nur unter besonderen Voraussetzungen überschritten werden darf. Wird über die regelmäßige Höchstfrist der geschlossenen Unterbringung von einem Jahr hinaus eine Unterbringung von bis zu zwei Jahren genehmigt oder angeordnet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diese Abweichung vom Regelfall im Hinblick auf den hohen Rang des Rechts auf Freiheit der Person ausreichend zu begründen. Solche Gründe können sich etwa aus konkreten Feststellungen über die Dauer einer notwendigen Therapie oder aus fehlenden Heilungs- und Besserungsaussichten bei anhaltender Eigengefährdung ergeben. Dabei erfordert das im Gesetz genannte Merkmal der „Offensichtlichkeit“, dass die Gründe für eine über ein Jahr hinaus währende Unterbringungsbedürftigkeit für das sachverständig beratene Gericht deutlich und erkennbar hervortreten[5].

Diesen Anforderungen genügt die angefochtene Entscheidung nicht.

Konkrete Anknüpfungspunkte für die Annahme, dass mangels Heilungs- und Besserungsaussichten bei anhaltender Eigengefährdung auch nach Ablauf der gesetzlichen Regelhöchstdauer von einem Jahr noch eine Unterbringungsbedürftigkeit bestehen wird, lassen sich den Beschlüssen der Vorinstanzen nicht entnehmen. Für die vom Landgericht Görlitz für die Dauer der Unterbringung gegebene Begründung, dass nur durch eine die Höchstfrist von zwei Jahren ausschöpfende geschlossene Unterbringung des Betroffenen die Möglichkeit einer erfolgreichen Therapie bestünde, mit der eine erhebliche Verschlimmerung des Krankheitsbildes zumindest vermieden werden könne, fehlt es an belastbaren tatsächlichen Feststellungen. In dem vom Landgericht Görlitz in Bezug genommenen Sachverständigengutachten wird hierzu lediglich ohne weitere Begründung ausgeführt, dass die Unterbringung für zwei weitere Jahre erfolgen sollte. Weshalb durch Therapiemaßnahmen während einer zunächst auf ein Jahr begrenzten Unterbringung eine Verbesserung des Krankheitsbildes des Betroffenen nicht zu erwarten ist, erschließt sich aus den Entscheidungsgründen nicht. Auch das Sachverständigengutachten verhält sich hierzu nicht. Schließlich wird auch in der vom Landgericht Görlitz in Bezug genommenen Entscheidung des Amtsgerichts zur Unterbringungsdauer lediglich ausgeführt, dass das Gericht bei der Festsetzung der Dauer der Maßnahme dem ärztlichen Gutachten folge. Dies vermag die vom Gesetz geforderte „offensichtlich“ lange, mehr als ein Jahr währende Unterbringungsbedürftigkeit nicht zu begründen.

Die Prognose, welche Dauer für die Unterbringung erforderlich ist, ist regelmäßig auf der Grundlage des einzuholenden Sachverständigengutachtens vorzunehmen. Der Fristablauf hat sich dabei grundsätzlich an dem Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens zu orientieren; die Frist beginnt nicht erst mit der gerichtlichen Entscheidung[6]. Da das Sachverständigengutachten, auf das die Instanzgerichte ihre Entscheidungen gestützt haben, am 22.01.2024 erstellt wurde, kann in Ermangelung anderweitiger Feststellungen die Unterbringung des Betroffenen in der geschlossenen Abteilung einer sozialtherapeutischen Wohnstätte derzeit nur bis zum 22.01.2025 genehmigt werden.

Die angefochtene Entscheidung konnte somit im zeitlich darüber hinausgehenden Umfang  keinen Bestand haben. Der Bundesgerichtshof konnte insoweit nicht abschließend in der Sache entscheiden, da diese nicht zur Endentscheidung reif war (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG). Die Sache war daher gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG zur Nachholung der notwendigen Feststellungen über die Unterbringungsdauer an das Landgericht zurückzuverweisen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 7. August 2024 – XII ZB 169/24

  1. im Anschluss an BGH, Beschluss vom 08.11.2023 – XII ZB 219/23 FamRZ 2024, 299[]
  2. AG Zittau, Beschluss vom 15.02.2024 – 8 XVII 157/17[]
  3. LG Görlitz, Beschluss vom 09.04.2024 – 2a T 35/24[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 30.11.2022 – XII ZB 257/22 , FamRZ 2023, 468 Rn. 12 mwN zu § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB[]
  5. BGH, Beschluss vom 08.11.2023 – XII ZB 219/23 FamRZ 2024, 299 Rn. 12 f. mwN[]
  6. BGH, Beschluss vom 07.02.2024 – XII ZB 458/23 , FamRZ 2024, 805 Rn. 12 mwN[]