Steuerakten und das Akteneinsichtsrecht des Betreuers

Verfahrensrechtlich verliert ein unter Betreuung stehender Kläger gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 FGO i. V. m. § 53 Zivilprozessordnung – ZPO – die Fähigkeit, die von ihm erhobene Klage in eigener Person weiterzuführen, wenn der Betreuer das Verfahren übernimmt. Durch § 53 ZPO soll ein sonst mögliches Neben- und Gegeneinander von Prozesshandlungen des Betreuten einerseits und des Betreuers andererseits vermieden werden; bei Vertretung durch den Betreuer soll im Interesse eines ordnungsgemäßen Prozessverlaufs erreicht werden, dass die Prozessführung allein in den Händen des Betreuers liegt und der Betreute sich ihr nicht widersetzen kann[1].

Steuerakten und das Akteneinsichtsrecht des Betreuers

Einem Betreuer steht deshalb – ebenso wie einem Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und vor Eintritt in das Klageverfahren[2] – bereits vor Übernahme des Prozesses das Recht auf Akteneinsicht i. S. von § 78 FGO zu. Denn der Betreuer muss entscheiden (können), ob es im Interesse des Betreuten und eines ordnungsgemäßen Prozessverlaufs geboten ist, dass er das Verfahren übernimmt. Die hierzu notwendigen Erkenntnisse kann er durch Akteneinsicht gewinnen.

Würde man dem Betreuer vor Übernahme des Verfahrens ein Recht zur Akteneinsicht verweigern, sähe er sich ggf. allein zu Zwecken der Informationsbeschaffung gezwungen, die Übernahme des Verfahrens zu erklären. Dies wäre aber nicht im Sinne des Gesetzgebers, der die Privatautonomie und Selbstverantwortlichkeit des Betreuten soweit als möglich achten und schützen will. Gelangt der Betreuer aufgrund der Akteneinsicht zu der Erkenntnis, dass eine Übernahme des Verfahrens durch ihn nicht geboten ist, kann der geschäftsfähige Betreute es ohne Einschränkungen weiterführen.

Die Verpflichtung zur Wahrung des Steuergeheimnisses (vgl. § 30 AO) steht der Gewährung von Akteneinsicht nicht entgegen.

Finanzgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 20. November 2012 – 2 K 967/12

  1. vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.02.1996 – 5 B 214/95[]
  2. vgl. hierzu BFH, Beschluss vom 28.03.2007 – III B 10/07, BFH/NV 2007, 1182[]