Geschlossene Unterbringung – und ihre gerichtliche Genehmigung

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betreuten voraus. Notwendig ist allerdings eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben des Betreuten.

Geschlossene Unterbringung – und ihre gerichtliche Genehmigung

Der Grad der Gefahr ist in Relation zum möglichen Schaden ohne Vornahme der freiheitsentziehenden Maßnahme zu bemessen. Die Gefahr für Leib oder Leben erfordert kein zielgerichtetes Verhalten, aber objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens.

Die Prognose einer nicht anders abwendbaren Gefahr erheblicher gesundheitlicher Schäden ist Sache des Tatrichters. Sie baut im Wesentlichen auf der Anhörung des Betroffenen und der weiteren Beteiligten sowie auf dem nach § 321 FamFG einzuholenden Sachverständigengutachten auf[1].

Die Begründung darf sich auch bei wiederholt untergebrachten Betroffenen nicht auf formelhafte Wendungen beschränken, sondern muss die Tatbestandsvoraussetzungen im jeweiligen Einzelfall durch die Angabe von Tatsachen konkret nachvollziehbar machen[2].

Anders im hier entschiedenen Fall: Das Amtsgericht hat über die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts von § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB hinaus keine Umstände festgestellt, welche die Annahme rechtfertigen könnten, dass sich der Betroffene erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügen werde, wenn die Unterbringung unterbleibt. Im erstinstanzlich eingeholten Gutachten der Sachverständigen S. vom 02.06.2020 finden sich zwar Ausführungen dazu, dass der Betroffene nicht in der Lage sei, sich ausreichend zu ernähren, auf seinen Blutzucker zu achten und Insulin zu spritzen. Ob dies im konkreten Fall die Unterbringung wegen Eigengefährdung gerechtfertigt hätte, braucht aber schon deshalb nicht erörtert zu werden, weil die amtsgerichtliche Entscheidung insoweit keinen Bezug auf das Sachverständigengutachten nimmt.

Die Ausführungen des Beschwerdegerichts zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB konnten die materiellrechtlichen Mängel der amtsgerichtlichen Entscheidung nicht heilen, weil sie ihrerseits auf verfahrensfehlerhaft getroffenen Feststellungen beruhen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. Mai 2021 – XII ZB 109/21

  1. vgl. BGH, Beschlüsse vom 24.05.2017 – XII ZB 577/16 FamRZ 2017, 1342 Rn. 10 f.; und vom 05.03.2014 – XII ZB 58/12 FamRZ 2014, 831 Rn. 9 f.[]
  2. BGH, Beschluss vom 05.03.2014 – XII ZB 58/12 FamRZ 2014, 831 Rn. 14[]