Ergänzungsbetreuer – und die Pauschalvergütung

Ein Ergänzungsbetreuer, der wegen einer rechtlichen Verhinderung des Betreuers bestellt worden ist, kann auch dann keine pauschale Vergütung nach §§ 4, 5 VBVG verlangen, wenn seine Tätigkeit auf einen längeren Zeitraum angelegt ist und sich nicht in einer konkreten, punktuellen Maßnahme erschöpft.

Ergänzungsbetreuer – und die Pauschalvergütung

Dass der für den Fall der rechtlichen Verhinderung bestellte Ergänzungsbetreuer keine pauschale Vergütung beanspruchen kann, ergibt sich für den Bundesgerichtshof bereits aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes. Eine Korrektur durch eine teleologische Reduktion der Norm ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht geboten.

Gemäß § 1899 Abs. 4 BGB kann das Gericht mehrere Betreuer in der Weise bestellen, dass der eine die Angelegenheiten des Betreuten nur zu besorgen hat, soweit der andere verhindert ist. Nach § 6 Satz 1 VBVG erhält der Betreuer in diesem Fall eine Vergütung nach § 1 Abs. 2 i.V.m. § 3 VBVG, also nach konkretem Zeitaufwand. Eine Ausnahme hiervon sieht § 6 Satz 2 VBVG nur für den Fall vor, dass die Verhinderung tatsächlicher Art ist; dann sind die Vergütung und der Aufwendungsersatz nach § 4 i.V.m. § 5 VBVG zu bewilligen und nach Tagen zu teilen. Dabei unterscheidet § 6 Satz 2 VBVG ausdrücklich zwischen der dort genannten tatsächlichen Verhinderung, die eine pauschale Vergütung (freilich anteilig) unberührt lässt, und der nicht ausdrücklich genannten rechtlichen Verhinderung, die eintritt, wenn der Betreuer nach § 1908 i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 1795, 1796 BGB an der Ausübung seiner Tätigkeit aus rechtlichen Gründen gehindert ist.

Eine Korrektur dieser Regelung in Form einer teleologischen Reduktion für Fälle der vorliegenden Art, in denen die Tätigkeit des Ergänzungsbetreuers auf einen längeren Zeitraum angelegt ist und sich nicht in einer konkreten, punktuellen Maßnahme erschöpft, ist nicht geboten.

Zwar soll der Verhinderungsbetreuer nach der Gesetzesbegründung, worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist, ebenso wie der Sterilisationsbetreuer nur für die Vornahme eines bestimmten, punktuellen Geschäfts bestellt werden. Hierfür passt nach Auffassung des Gesetzgebers die Gewährung einer Zeitpauschale nicht, weshalb die Norm für den aus Rechtsgründen bestellten Verhinderungsbetreuer eine Abrechnung nach der tatsächlich aufgewandten und erforderlichen Zeit, also die Beibehaltung des bisherigen Abrechnungssystems vorsehe[1].

Hieraus lässt sich indes nicht der Schluss ziehen, dass der Gesetzgeber für Fälle der vorliegenden Art, in denen sich die Ergänzungsbetreuung nicht in einem punktuellen Geschäft erschöpft, wiederum die pauschale Vergütung eröffnen wollte.

Mit der Einführung der pauschalen Betreuervergütung sollte ein einfaches und streitvermeidendes Abrechnungssystem geschaffen werden. Um diesen Zweck weitestgehend zu erreichen, hat der Gesetzgeber in § 6 VBVG nur die beiden vorgenannten Ausnahmen von dem Pauschalierungssystem geschaffen[2]. Eine allgemeine Ausnahme von der pauschalen Vergütung für alle Fälle, in denen der Betreuer nur für einen begrenzten Aufgabenbereich oder eine einzelne Angelegenheit bestellt wird, war nicht gewollt. Bis auf die „zahlenmäßig geringen Sonderfälle“ des § 6 VBVG sollte es von der Pauschalvergütung keine Ausnahmetatbestände geben, weil jeder Ausnahmetatbestand „zu Streitigkeiten über seinen Anwendungsbereich und ggfs. eine analoge Anwendung führen“ würde[3]. Dieser gesetzgeberische Wille würde missachtet, wenn über die Sonderfälle des § 6 VBVG in Verbindung mit § 1899 Abs. 2 und 4 BGB hinaus in den Fällen, in denen die Betreuung nur einen begrenzten Aufgabenbereich oder nur eine Angelegenheit umfasst, abweichend vom System der Pauschalvergütung stets nach konkretem Zeitaufwand abgerechnet werden könnte[4].

Entsprechendes muss auch in dem hier vorliegenden umgekehrten Fall gelten, in dem die Tätigkeit des Ergänzungsbetreuers auf einen längeren Zeitraum angelegt, aber nach dem konkreten Zeitaufwand zu vergüten ist. Demgemäß lehnt auch die überwiegende Auffassung eine Pauschalvergütung des Ergänzungsbetreuers nach §§ 4, 5 VBVG ab[5].

Schließlich besteht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch kein Bedürfnis, für Fälle der vorliegenden Art auf die Pauschalvergütung der §§ 4, 5 VBVG zurückzugreifen. Denn sofern sich die Ergänzungsbetreuung wie hier ausnahmsweise nicht nur auf konkrete bzw. punktuelle Handlungen erstreckt, sondern auf einen längeren Zeitraum angelegt ist, kann dem im Rahmen des § 3 VBVG durch Berücksichtigung des zeitlichen Aufwands hinreichend Rechnung getragen werden. Sollte der Ergänzungsbetreuer bei der Betreuung auf berufsspezifische Tätigkeiten zurückgreifen müssen, kann er zudem gemäß § 6 Satz 1 Halbsatz 2 VBVG i.V.m. § 1835 Abs. 3 BGB seine entsprechenden Aufwendungen abrechnen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 4. Juni 2014 – XII ZB 625/13

  1. BT-Drs. 15/2494 S. 35[]
  2. vormals „§ 1908 m BGB-E“, vgl. BT-Drs. 15/2494 S. 34, 35[]
  3. BT-Drs. 15/2494 S. 33[]
  4. BGH, Beschluss vom 20.03.2013 XII ZB 231/12 FamRZ 2013, 873 Rn.20; siehe auch BGH, Beschluss vom 11.04.2012 XII ZB 459/10 , FamRZ 2012, 1051 Rn. 14[]
  5. OLG Celle FamRZ 2008, 1213, 1214; MünchKomm-BGB/Fröschle 6. Aufl. § 6 VBVG Rn. 5 a; s. auch OLG München Beschluss vom 15.09.2010 33 Wx 60/10 juris[]