Der Sachverständige in einem Unterbringungsverfahren hat den Betroffenen gemäß § 321 Abs. 1 Satz 2 FamFG vor Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen, wobei er vor der Untersuchung des Betroffenen bereits zum Sachverständigen bestellt sein und ihm den Zweck der Untersuchung eröffnet haben muss[1].

Nach § 321 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat vor einer Unterbringungsmaßnahme eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Gemäß § 30 Abs. 1 iVm Abs. 2 FamFG ist diese entsprechend der Zivilprozessordnung durchzuführen. Danach bedarf es zwar nicht zwingend eines förmlichen Beweisbeschlusses (vgl. § 358 ZPO). Jedoch ist die Ernennung des Sachverständigen dem Betroffenen wenn nicht förmlich zuzustellen, so doch zumindest formlos mitzuteilen, damit dieser gegebenenfalls von seinem Ablehnungsrecht nach § 30 Abs. 1 FamFG iVm § 406 ZPO Gebrauch machen kann. Ferner hat der Sachverständige den Betroffenen gemäß § 321 Abs. 1 Satz 2 FamFG vor Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Dabei muss er nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon vor der Untersuchung des Betroffenen zum Sachverständigen bestellt worden sein und dem Betroffenen den Zweck der Untersuchung eröffnen. Andernfalls kann dieser sein Recht, an der Beweisaufnahme teilzunehmen, nicht sinnvoll ausüben[2].
Diesen rechtlichen Maßgaben wurde das hier vom Bundesgerichtshof beurteilte Verfahren nicht gerecht:
Die Sachverständige hat die Betroffene im Rahmen der Anhörung in einem Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht angehört, in dem es um eine frühere, bis längstens 6.01.2022 befristete Unterbringungsgenehmigung ging. Das vorliegende Unterbringungsverfahren wurde erst durch einen Antrag des Betreuers auf Genehmigung einer weiteren Unterbringung eingeleitet, den dieser beim Amtsgericht nach dem landgerichtlichen Anhörungstermin gestellt und auf den hin das Amtsgericht einen Beweisbeschluss mit einem an die Sachverständige gerichteten Gutachtensauftrag erlassen hat. Zudem hat auch das Landgericht im anschließenden Beschwerdeverfahren die Sachverständige beauftragt, dazu Stellung zu nehmen, „ob und wie lange[3] eine geschlossene Unterbringung der Betroffenen weiterhin zu genehmigen“ sei. Eine weitere Untersuchung durch die Sachverständige ist nicht auch nicht in dem der hier angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Beschwerdeverfahren erfolgt; diese hat vielmehr in ihrem im vorliegenden Verfahren abgegebenen Sachverständigengutachten, auf das das Amtsgericht sich bei der verfahrensgegenständlichen Unterbringungsgenehmigung gestützt hat, auf die Angaben der Betroffenen im Anhörungstermin des vorherigen Verfahrens abgestellt. Mithin fehlt es an einer Bestellung der Sachverständigen vor der maßgeblichen Untersuchung, sodass das Gutachten den Anforderungen des § 321 Abs. 1 Satz 2 FamFG nicht genügt.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. August 2022 – XII ZB 149/22
- im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 15.09.2010 XII ZB 383/10 FamRZ 2010, 1726; vom 08.07.2015 XII ZB 600/14 FamRZ 2015, 1706; und vom 12.05.2021 XII ZB 427/20 FamRZ 2021, 1312[↩]
- vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 15.09.2010 XII ZB 383/10 FamRZ 2010, 1726 Rn. 18 ff.; vom 08.07.2015 XII ZB 600/14 FamRZ 2015, 1706 Rn. 7; und vom 12.05.2021 XII ZB 427/20 FamRZ 2021, 1312 Rn. 14 mwN[↩]
- längstens zwei Jahre[↩]