Die über sechs Monate hinausgehende Unterbringung eines 14jährigen Kindes – und ihre Begründung

Mit den Begründungsanforderungen, wenn die Unterbringung eines Minderjährigen für länger als sechs Monate genehmigt werden soll, hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen:

Die über sechs Monate hinausgehende Unterbringung eines 14jährigen Kindes – und ihre Begründung

Abweichend von § 329 Abs. 1 FamFG enden die freiheitsentziehende Unterbringung und freiheitsentziehende Maßnahmen bei Minderjährigen nach § 167 Abs. 7 FamFG spätestens mit Ablauf von sechs Monaten, bei offensichtlich langer Sicherungsbedürftigkeit spätestens mit Ablauf von einem Jahr, wenn sie nicht vorher verlängert werden. Die Höchstdauer der freiheitsentziehenden Unterbringung und der freiheitsentziehenden Maßnahmen bei Minderjährigen ist damit – vorbehaltlich der Möglichkeit einer Verlängerung – grundsätzlich auf sechs Monate bestimmt[1]. Nur bei offensichtlich langer Sicherungsbedürftigkeit – wenn also ein offensichtliches Bedürfnis für eine Unterbringung bzw. freiheitsentziehende Maßnahme über sechs Monate hinaus besteht[2] – kann im Ausnahmefall eine Höchstdauer von bis zu einem Jahr bestimmt werden.

Zu der vergleichbaren Vorschrift des § 329 Abs. 1 Satz 1 FamFG über die Dauer und Verlängerung einer Unterbringungsmaßnahme bei Erwachsenen hat der Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden, dass im Hinblick auf den hohen Rang des Rechts auf Freiheit der Person eine Unterbringungsdauer, die die regelmäßige Höchstfrist von einem Jahr überschreitet, stets ausführlich zu begründen ist. Dabei erfordert das Merkmal der „Offensichtlichkeit“, dass die Gründe für eine über ein Jahr hinaus währende Unterbringungsbedürftigkeit für das sachverständig beratene Gericht deutlich und erkennbar hervortreten[3]. Dieses Begründungserfordernis gilt auch, wenn die Unterbringung eines Minderjährigen für die Dauer von mehr als sechs Monaten genehmigt werden soll. Denn das in § 167 Abs. 7 FamFG enthaltene Erfordernis einer offensichtlich langen Sicherungsbedürftigkeit ist im Wesentlichen inhaltsgleich zu der in § 329 Abs. 1 Satz 1 FamFG geforderten offensichtlich langen Unterbringungsbedürftigkeit[4].

Diesen Begründungserfordernissen genügte im hier entschiedenen Fall die angefochtene Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg[5] nicht. Zur Begründung der ausgesprochenen Dauer der Genehmigung bezieht sich das Beschwerdegericht allein auf das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten. Darin sind jedoch keine Ausführungen enthalten, die eine Unterbringungsdauer von mehr als sechs Monaten rechtfertigen können. Der Sachverständige führt in seinem Gutachten zu der von ihm vorgeschlagenen Unterbringungsdauer lediglich aus, dass die Maßnahme vorerst für mindestens ein Jahr eingerichtet werden sollte. Weshalb jedoch eine Unterbringung der Betroffenen über die regelmäßige Höchstfrist von sechs Monaten hinaus erforderlich ist, erschließt sich aus dem Inhalt des Gutachtens nicht. Damit ist die vom Gesetz geforderte offensichtlich lange Sicherungsbedürftigkeit nicht dargelegt.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 9. Oktober 2024 – XII ZB 253/24

  1. vgl. Sternal/Schäder FamFG 21. Aufl. § 167 Rn. 27[]
  2. BT-Drs. 18/11278 S.19; Sternal/Schäder FamFG 21. Aufl. § 167 Rn. 27[]
  3. vgl. BGH, Beschlüsse vom 07.02.2024 – XII ZB 458/23 , FamRZ 2024, 805 Rn. 9 mwN; und vom 08.11.2023 – XII ZB 219/23 , FamRZ 2024, 299 Rn. 13 mwN[]
  4. vgl. Musielak/Borth/Frank/Frank FamFG 7. Aufl. § 167 Rn. 6[]
  5. OLG Nürnberg, Beschluss vom 21.05.2024 – 9 UF 343/24[]