Wenn der Betroffene durch seine Beschwerde zum Ausdruck bringt, dass er an seiner Zustimmung zur Einrichtung einer Betreuung nicht mehr festhält, hat das Landgericht ihn erneut anzuhören[1].

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht zwar die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Zieht das Beschwerdegericht für seine Entscheidung dagegen eine neue Tatsachengrundlage heran, die nach der amtsgerichtlichen Entscheidung datiert, gebietet dies eine erneute persönliche Anhörung des Betroffenen. Zudem kann im Beschwerdeverfahren nicht von einer Wiederholung solcher Verfahrenshandlungen abgesehen werden, bei denen das Gericht des ersten Rechtszugs zwingende Verfahrensvorschriften verletzt hat. In diesem Fall muss das Beschwerdegericht, vorbehaltlich der Möglichkeiten nach § 69 Abs. 1 Satz 2 und 3 FamFG, den betreffenden Teil des Verfahrens nachholen[2].
In dem hier entschiedenen Fall war die Anhörung durch das Amtsgericht bereits deshalb nicht verfahrensgemäß, weil mangels entgegenstehender Anhaltspunkte, namentlich der Akte zu entnehmender Verfügungen, davon auszugehen ist, dass es das Sachverständigengutachten der Betroffenen nicht zuvor bekannt gegeben hat[3] und die Anhörung deshalb an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet[4].
Auch hätte das Landgericht die Betroffene deshalb anhören müssen, weil sie mit ihrer Beschwerde zum Ausdruck gebracht hat, dass sie an ihrer in erster Instanz erklärten Einwilligung nicht mehr festhält[5].
Schließlich enthält der landgerichtliche Beschluss keine Feststellungen zum Fehlen eines freien Willens i.S.v. § 1896 Abs. 1a BGB. Während das Amtsgericht wegen des von der Betroffenen erklärten Einverständnisses dieser Prüfung noch enthoben war, hätte das Landgericht auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens nunmehr prüfen müssen, ob die mit ihrer Beschwerde zum Ausdruck kommende Weigerung der Betroffenen auf einem freien Willen beruht[6].
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. September 2020 – XII ZB 203/20
- im Anschluss an BGH, Beschluss vom 16.12.2015 – XII ZB 381/15 , FamRZ 2016, 456[↩]
- BGH, Beschluss vom 06.05.2020 – XII ZB 504/19 , FamRZ 2020, 1219 Rn. 9 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 06.05.2020 – XII ZB 6/20 , FamRZ 2020, 1303 Rn. 7 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 06.02.2019 – XII ZB 393/18 , FamRZ 2019, 724 Rn. 8 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 16.12.2015 – XII ZB 381/15 , FamRZ 2016, 456 Rn. 18 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 16.10.2013 – XII ZB 320/13 BtPrax 2014, 38 Rn. 6 mwN[↩]