Mit der Bestellung eines behandelnden Arztes zum Sachverständigen im Betreuungsverfahren hatte sich erneut[1] der Bundesgerichtshof zu befassen:

Das Amtsgericht Neubrandenburg hat nach Einholung eines „Gutachtens“ und Anhörung der Betroffenen mit ihrer Einwilligung einen Berufsbetreuer für folgenden Aufgabenkreis bestellt: Vermögenssorge, Behörden, Versicherungs, Renten- und Sozialleistungsangelegenheiten, Gesundheitssorge, Organisation der ambulanten Versorgung und Erbschaftsangelegenheiten[2]. Die dagegen von der Betroffenen eingelegte Beschwerde hat das Landgericht Neubrandenburg zurückgewiesen[3]. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde und erhielt vom Bundesgerichtshof Recht:
Das vom Landgericht in Bezug genommene Gutachten genügt nicht den verfahrensrechtlichen Anforderungen. Denn das Amtsgericht hat als Gutachterin die Hausärztin der Betroffenen bestellt, ohne zu prüfen, ob sie über hinreichende Sachkunde verfügt.
Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 FamFG soll der in einem Betreuungsverfahren mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Sachverständige Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein. Ergibt sich die Qualifikation nicht ohne Weiteres aus der Fachbezeichnung des Arztes, ist seine Sachkunde vom Gericht zu prüfen und in der Entscheidung darzulegen[4].
Hier ergibt sich aus dem von der Ärztin eingereichten „Gutachten“ lediglich, dass sie „Praktische Ärztin“ ist. Darlegungen über ihre Sachkunde enthalten weder die amtsgerichtliche noch die landgerichtliche Entscheidung.
Zudem genügt das eingeholte „Gutachten“ nicht den Anforderungen des § 280 FamFG. Vor allem lassen sich dem eineinhalb Seiten umfassenden Schriftstück entgegen § 280 Abs. 3 FamFG nicht die durchgeführten Untersuchungen und die diesen zugrunde gelegten Forschungserkenntnisse entnehmen.
Zwar ist es nicht ausgeschlossen, einen den Betroffenen behandelnden Arzt zum Sachverständigen zu bestellen[5]. In diesem Fall muss der behandelnde Arzt dem Betroffenen aber deutlich zu erkennen geben, dass er von seiner Bestellung zum Sachverständigen an als Gutachter tätig sein wird. In dieser Funktion muss er den Betroffenen untersuchen und darf sich für sein Gutachten nicht darauf beschränken, die aus der vorherigen Behandlung gewonnenen Erkenntnisse zu verwerten[6]. Auch das hatte das Landgericht nicht festgestellt.
Für das weitere Verfahren weist der Bundesgerichtshof ferner darauf hin, dass allein die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Betreuer das Gericht – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 276 FamFG – nicht davon enthebt, der Betroffenen einen Verfahrenspfleger zu bestellen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. September 2020 – XII ZB 203/20
- im Anschluss an BGH, Beschluss vom 06.02.2019 – XII ZB 393/18 , FamRZ 2019, 724[↩]
- AG Neubrandenburg, Beschluss vom 22.01.2020 – 401 XVII 7/20[↩]
- LG Neubrandenburg, Beschluss vom 03.04.2020 – 2 T 27/20[↩]
- BGH, Beschluss vom 13.07.2016 – XII ZB 46/15 , FamRZ 2016, 1665 Rn. 13 mwN[↩]
- BGH, Beschluss vom 15.09.2010 – XII ZB 383/10 , FamRZ 2010, 1726 Rn. 9[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 06.02.2019 – XII ZB 393/18 , FamRZ 2019, 724 Rn. 16[↩]