Legt in einem Betreuungsverfahren ein Verfahrensbeteiligter ein Privatgutachten vor, muss sich der Tatrichter damit auseinandersetzen und auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts hinwirken, wenn sich aus den Privatgutachten ein Widerspruch zum Gerichtsgutachten ergeben kann. Nur wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige auch im Rahmen seiner Anhörung die sich aus einem Privatgutachten ergebenden Einwendungen nicht auszuräumen vermag, muss der Tatrichter im Rahmen seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung ein weiteres Gutachten einholen.

Grundsätzlich entscheidet der Tatrichter über Art und Umfang seiner Ermittlungen nach pflichtgemäßem Ermessen. Dem Rechtsbeschwerdegericht obliegt lediglich die Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die Prüfung, ob die Tatsachengerichte alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen haben und die Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht[1].
Gemessen hieran war in dem hier entschiedenen Fall die Annahme des Landgerichts Mönchengladbach in seiner Beschwerdeentscheidung, der Betroffene sei zum Zeitpunkt der Erteilung der General- und Vorsorgevollmacht geschäftsunfähig i.S.v. § 104 Nr. 2 BGB gewesen[2], aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Insbesondere war das Landgericht – entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde – nicht gehalten, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen:
Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen im Wesentlichen auf das bereits im amtsgerichtlichen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten und auf das Ergebnis der ergänzenden Anhörung des Sachverständigen im Termin vom 18.03.2018 gestützt. Es hat sich dabei kritisch mit den Ausführungen des Sachverständigengutachtens auseinandergesetzt und auch die Einwendungen, die der Betroffene gegen das gerichtliche Sachverständigengutachten erhoben hat, in den Blick genommen. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
Im vorliegenden Fall stellen die Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten und in der Anhörung auch eine belastbare Grundlage für den vom Landgericht gezogenen Schluss auf die Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen im Zeitpunkt der Vollmachterteilung dar. Liegt bereits ein Sachverständigengutachten vor, ist die Einholung eines weiteren Gutachtens nur dann geboten, wenn die Sachkunde des bisherigen Gutachters zweifelhaft ist, wenn das Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn es Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen des früheren Gutachters überlegen erscheinen[3]. Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor.
Der Sachverständige hat die ihm zur Verfügung stehenden Befundberichte und Arztbriefe sowie die Aussagen der erstinstanzlich vernommenen Zeugen umfassend in seine Betrachtungen einbezogen. Zudem hat er in seinem Gutachten die wissenschaftlichen Grundlagen dargestellt, die zur Beurteilung der Auswirkung der Erkrankung des Betroffenen auf seine Geschäftsfähigkeit heranzuziehen sind. Schließlich hat der Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, weshalb beim Betroffenen zum Zeitpunkt der Vollmachterteilung die Voraussetzungen für eine fehlende Geschäftsfähigkeit seiner Ansicht nach erfüllt waren.
Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht auch davon abgesehen, im Hinblick auf das von dem Betroffenen vorgelegte Privatgutachten ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen.
Erhebt ein Verfahrensbeteiligter Einwendungen gegen das Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen, hat der Tatrichter diese zu berücksichtigen. Dabei ist er verpflichtet, sich mit einem vorgelegten Privatgutachten auseinanderzusetzen und auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken, wenn sich aus den Privatgutachten ein Widerspruch zum Gerichtsgutachten ergeben kann. Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen hat er von Amts wegen nachzugehen. Wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige im Rahmen seiner Anhörung die sich aus einem Privatgutachten ergebenden Einwendungen nicht auszuräumen vermag, muss der Tatrichter im Rahmen seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung ein weiteres Gutachten einholen. Das Gericht ist gehalten, sich mit den Streitpunkten zwischen dem gerichtlichen Sachverständigengutachten und dem Privatgutachten sorgfältig und kritisch auseinanderzusetzen und die Streitpunkte zu würdigen. Insbesondere hat es zu begründen, warum es einem von ihnen den Vorzug gibt[4].
Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des Landgerichts, trotz des von dem Betroffenen vorgelegten abweichenden Privatgutachtens von der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens abzusehen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Bereits im erstinstanzlichen Verfahren ist der Sachverständige zu den sich aus dem vom Betroffenen vorgelegten Privatgutachten ergebenden Einwendungen ergänzend angehört worden. Dabei hat er im Anhörungstermin vom 18.03.2018 ausführlich zu der von dem Privatgutachter erhobenen Kritik an seinem Gutachten Stellung genommen. Zudem wurden von ihm in diesem Termin die Fragen des Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen umfassend beantwortet. Auf der Grundlage des schriftlichen Sachverständigengutachtens und der protokollierten Äußerungen des Sachverständigen im Termin vom 18.03.2018 hat sich das Landgericht in der Beschwerdeentscheidung umfassend mit den von dem Privatgutachter erhobenen Einwendungen befasst und dargelegt, warum es letztlich den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen folgt. Dass das Gericht damit im Ergebnis einer der beiden Begutachtungen den Vorzug gegeben hat, ist elementarer Bestandteil der tatrichterlichen Überzeugungsbildung und im Rahmen der eingeschränkten Kontrolldichte im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht weiter zu überprüfen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29. April 2020 – XII ZB 242/19
- BGH, Beschluss vom 17.02.2016 – XII ZB 498/15 , FamRZ 2016, 704 Rn. 13 mwN[↩]
- LG Mönchengladbach, Beschluss vom 23.04.2019 – 5 T 63/19 und 5 T 64/19[↩]
- BGH Urteil vom 16.03.1999 – VI ZR 34/98 , NJW 1999, 1778, 1779 mwN[↩]
- vgl. BGH Beschluss vom 17.05.2017 – VII ZR 36/15 , NJW 2017, 3661 Rn. 11 mwN[↩]