Die Beschwerdefrist für den Betroffenen in einer Betreuungssache wird nur durch Bekanntgabe der Entscheidung an ihn selbst in Lauf gesetzt. Eine Zustellung nur an den Betreuer bleibt für den Beginn der Beschwerdefrist des Betroffenen auch dann ohne Einfluss, wenn der Betreuer für den Aufgabenkreis „Entgegennahme und Öffnen der Post“ bestellt ist [1].

Gemäß § 63 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde binnen einer Frist von einem Monat einzulegen. Die Frist beginnt gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten.
Eine Bekanntgabe an die Betroffene ist indessen im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nicht erfolgt. Zwar hat der Richter am Amtsgericht am 3.12 2018 verfügt, dass eine beglaubigte Abschrift des an dem Tag ergangenen Beschlusses an die Betroffene per Postzustellungsauftrag zuzustellen sei. Die Zustellung ist dann aber ausweislich der Zustellungsurkunde vom 06.12 2018 nicht an die Betroffene persönlich, sondern an ihren Betreuer erfolgt, denn die Zustellungsurkunde ist womöglich wegen eines vom Betreuer aufgrund seines Aufgabenkreises [2] veranlassten Nachsendeauftrags dahin „berichtigt“ worden, dass an ihn zuzustellen ist.
Die Zustellung an den Betreuer wirkt indessen nicht gegen die Betroffene. § 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG verweist zwar hinsichtlich der Bekanntgabe durch Zustellung auf die §§ 166 bis 195 ZPO. Die Vorschrift des § 170 Abs. 1 Satz 1 ZPO, nach dem bei nicht prozessfähigen Personen an deren gesetzlichen Vertreter zuzustellen ist, findet auf den Betroffenen im Betreuungsverfahren aber keine Anwendung. Nach § 275 FamFG ist der Betroffene vielmehr in Betreuungssachen ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig. Durch diese Vorschrift soll sichergestellt werden, dass Betroffene in allen mit der Betreuung zusammenhängenden Verfahren alle Angriffsund Verteidigungsmittel selbst vorbringen und von Rechtsmitteln Gebrauch machen können. Dadurch soll die Rechtsposition der Betroffenen im Verfahrensrecht entscheidend verbessert werden [3]. Da ein Betroffener somit seine Rechte im Betreuungsverfahren aufgrund von § 275 FamFG selbst wahrnehmen kann, muss die Zustellung abweichend von § 170 Abs. 1 Satz 1 ZPO an ihn selbst erfolgen. Das gilt auch dann, wenn der Betreuer für den Aufgabenbereich „Entgegennahme und Öffnen der Post“ bestellt ist. In seinem Aufgabenkreis vertritt der Betreuer den Betreuten zwar gerichtlich und außergerichtlich (§ 1902 BGB). Eine Zustellung nach § 170 Abs. 1 Satz 1 ZPO an den gesetzlichen Vertreter des Betroffenen scheidet im Betreuungsverfahren nach dem Vorstehenden aber gerade aus [4].
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der danach vorliegende Zustellungsmangel gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 FamFG iVm § 189 ZPO geheilt worden ist, da keine Feststellungen darüber getroffen sind, dass der Beschluss der Betroffenen formlos zugegangen ist. Aus dem vom Sohn gefertigten Beschwerdeschreiben lässt sich für sich genommen nicht herleiten, dass der Betroffenen das zuzustellende Schriftstück tatsächlich ausgehändigt worden ist. Diese Voraussetzung müsste aber erfüllt sein, damit die formgerechte Zustellung fingiert werden kann [5].
Kann die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden, beginnt die Frist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses (§ 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Maßgeblich für den Lauf der Beschwerdefrist nach § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG ist der Umstand, dass die schriftliche Bekanntgabe des Beschlusses unterblieben ist. Warum die Bekanntgabe nicht erfolgt ist, ist ohne Belang [6].
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. Juni 2019 – XII ZB 35/19
- im Anschluss an BGH, Beschluss vom 04.05.2011 XII ZB 632/10 FamRZ 2011, 1049[↩]
- unter anderem Entgegennahme und Öffnen der Post[↩]
- BT-Drs. 11/4528 S. 170[↩]
- BGH, Beschluss vom 04.05.2011 XII ZB 632/10 FamRZ 2011, 1049 Rn. 10 mwN[↩]
- BGH, Beschluss vom 04.05.2011 XII ZB 632/10 FamRZ 2011, 1049 Rn. 11 mwN[↩]
- BGH, Beschluss vom 11.03.2015 XII ZB 571/13 FamRZ 2015, 839 Rn. 26 mwN[↩]