Betreuungsgerichtliche Genehmigung einer zivilrechtlichen Unterbringung

Mit den Voraussetzungen der betreuungsgerichtlichen Genehmigung einer zivilrechtlichen geschlossenen Unterbringung gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 BGB hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen:

Betreuungsgerichtliche Genehmigung einer zivilrechtlichen Unterbringung

Nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist eine Unterbringung nur genehmigungsfähig, wenn eine erfolgversprechende Heilbehandlung durchgeführt werden kann[1]. Dies setzt aber entweder einen die Heilbehandlung deckenden entsprechenden natürlichen Willen des Betroffenen oder die rechtlich zulässige Überwindung seines entgegenstehenden natürlichen Willens mittels ärztlicher Zwangsbehandlung voraus. Die Genehmigung einer Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist daher möglich, wenn von vornherein zumindest nicht ausgeschlossen ist, dass sich der Betroffene in der Unterbringung behandeln lassen wird, sein natürlicher Wille also nicht bereits der medizinisch notwendigen Behandlung entgegensteht, er aber die Notwendigkeit der Unterbringung nicht einsieht. Davon kann solange ausgegangen werden, wie sich die Weigerung des Betroffenen, sich behandeln zu lassen, nicht manifestiert hat[2]. Ist hingegen auszuschließen, dass der Betroffene eine Behandlung ohne Zwang vornehmen lassen wird, ist die Genehmigung der Unterbringung zur Durchführung der Heilbehandlung nur zulässig, wenn die Voraussetzungen für die Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme im Sinn des § 1906 Abs. 3 BGB vorliegen und diese nach § 1906 Abs. 3a BGB rechtswirksam genehmigt wird. Denn nur dann besteht für die eine Freiheitsentziehung rechtfertigende Heilbehandlung auch gegen den Willen des Betroffenen eine rechtliche Grundlage[3].

Gemessen hieran konnte im hier entschiedenen Fall die geschlossene Unterbringung der Betroffenen nicht auf § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB gestützt werden. Die Betroffene hat bereits bei ihrer Anhörung vor dem Amtsgericht deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie eine nervenärztliche Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus ablehnt. Auch ist dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten zu entnehmen, dass es der Betroffenen an jeglicher Behandlungsbereitschaft fehlt. Tragfähige Feststellungen dazu, die Betroffene werde sich bei einer geschlossenen Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik freiwillig behandeln lassen und insbesondere die erforderlichen Medikamente einnehmen, fehlen. Da auch eine ärztliche Zwangsmaßnahme im Sinn des § 1906 Abs. 3 BGB nicht nach § 1906 Abs. 3a BGB rechtswirksam genehmigt war, lag der Unterbringungsgrund nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht vor.

Soweit die Genehmigung der Unterbringung der Betroffenen auf § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB gestützt wurde, beruht dies ebenfalls auf unzureichenden Feststellungen:

Die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Betreuten voraus. Der Grad der Gefahr ist in Relation zum möglichen Schaden ohne Vornahme der freiheitsentziehenden Maßnahme zu bemessen. Die Gefahr für Leib oder Leben setzt kein zielgerichtetes Verhalten voraus, so dass auch eine völlige Verwahrlosung ausreichen kann, wenn damit eine Gesundheitsgefahr durch körperliche Verelendung und Unterversorgung verbunden ist. Das setzt allerdings objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens voraus[4].

Die Prognose einer nicht anders abwendbaren Suizidgefahr oder einer Gefahr erheblicher gesundheitlicher Schäden ist Sache des Tatrichters[5]. Sie baut im Wesentlichen auf der Anhörung des Betroffenen und der weiteren Beteiligten sowie auf dem nach § 321 FamFG einzuholenden Sachverständigengutachten auf.

Nach den Feststellungen der Instanzgerichte ist eine geschlossene Unterbringung der Betroffenen nach diesen Maßstäben nicht zu rechtfertigen.

Zwar leidet die Betroffene, wie die Instanzgerichte in Übereinstimmung mit dem Sachverständigengutachten festgestellt haben, an einer behandlungsbedürftigen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis.

Weder das Amtsgericht noch das Landgericht haben aber konkrete Umstände für die Annahme aufgezeigt, die Betroffene werde sich erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügen, wenn die Unterbringung unterbleibt. Eine akute Selbsttötungs- oder Selbstgefährdungsgefahr lag bei der Betroffenen nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht vor. Soweit das Beschwerdegericht darauf abstellt, dass sich das Krankheitsbild der Betroffenen ohne ärztliche Behandlung chronifizieren könne, besagt das nichts über eine bestehende erhebliche Gesundheitsgefährdung, der nur mit einer Unterbringung begegnet werden könnte. Das gilt auch für die vom Beschwerdegericht genannten Folgen, die nach seiner Auffassung mit einer Chronifizierung der Erkrankung der Betroffenen verbunden sein können. Mit der Möglichkeit, die Betroffene könne ohne ärztliche Behandlung in ihrer Leistungsfähigkeit weiter beeinträchtigt werden und es könne zu einer Antriebsverminderung, sozialem Rückzug, psychomotorischer Verlangsamung, Erschöpfung und verminderter Belastbarkeit bis hin zum Verlust eines selbstständigen Lebens kommen, beschreibt das Beschwerdegericht nur abstrakte Gefahren, die sich aus einer Fortentwicklung der Erkrankung der Betroffenen ergeben können. Diesen Gefahren könnte allein mit der Unterbringung ohnehin nicht begegnet werden, da die Betroffene eine Behandlung ablehnt und eine Zwangsbehandlung nicht angeordnet war. Weitere konkrete und objektivierbare Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens oder einer erheblichen Verschlimmerung oder Chronifizierung der Krankheit der Betroffenen, die eine geschlossene Unterbringung rechtfertigten könnten, hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt.

Die Betroffene ist durch die Genehmigung der Unterbringung in ihrem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt. Das nach § 62 Abs. 1 FamFG erforderliche berechtigte Interesse der Betroffenen daran, die Rechtswidrigkeit der – hier durch Zeitablauf erledigten – Genehmigung der Unterbringung feststellen zu lassen, liegt vor. Eine freiheitsentziehende Maßnahme bedeutet stets einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff im Sinn des § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG[6].

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31. Mai 2017 – XII ZB 342/16

  1. BGH, Beschluss vom 14.08.2013 – XII ZB 614/11 , FamRZ 2013, 1726 Rn. 26 mwN[]
  2. BGH, Beschlüsse vom 13.04.2016 – XII ZB 236/15 , FamRZ 2016, 1065 Rn. 21; und vom 30.07.2014 – XII ZB 169/14 , FamRZ 2014, 1694 Rn. 22 mwN[]
  3. BGH, Beschluss vom 30.07.2014 – XII ZB 169/14 , FamRZ 2014, 1694 Rn. 23[]
  4. BGH, Beschlüsse vom 18.05.2011 – XII ZB 47/11 , FamRZ 2011, 1141 Rn. 12; und vom 13.01.2010 – XII ZB 248/09 , FamRZ 2010, 365 Rn. 14 mwN[]
  5. BGH, Beschlüsse vom 22.08.2012 – XII ZB 295/12 , FamRZ 1705 Rn. 4; und vom 13.01.2010 – XII ZB 248/09 , FamRZ 2010, 365 Rn. 15[]
  6. BGH, Beschluss vom 02.09.2015 – XII ZB 138/15 , FamRZ 2015, 1959 Rn. 17 mwN[]