Betreutes Wohnen – und die Betreuervergütung

Ist im Rahmen des mit dem Betroffenen abgeschlossenen Wohn- und Betreuungsvertrages nur der Bereich des Wohnens geregelt und kann sich der Betroffene im Rahmen seines Wunsch- und Wahlrechts nach § 8 SGB IX selbst die für ihn darüber hinaus erforderlichen Eingliederungshilfeleistungen gegebenenfalls bei unterschiedlichen Trägern auswählen, fehlt es an einer einer stationären Einrichtung gleichgestellten ambulant betreuten Wohnform[1].

Betreutes Wohnen – und die Betreuervergütung

§ 5 Abs. 3 Satz 1 VBVG unterscheidet dabei zwischen stationären Einrichtungen und diesen nach § 5 Abs. 3 Satz 3 VBVG gleichgestellten ambulant betreuten Wohnformen einerseits und anderen Wohnformen andererseits. Stationäre Einrichtungen sind nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VBVG Einrichtungen, die dem Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung oder Pflege zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden. Demgegenüber sind ambulant betreute Wohnformen gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VBVG entgeltliche Angebote, die dem Zweck dienen, Volljährigen das Leben in einem gemeinsamen Haushalt oder einer Wohnung bei gleichzeitiger Inanspruchnahme extern angebotener entgeltlicher Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege zu ermöglichen. Nach § 5 Abs. 3 Satz 3 VBVG sind ambulant betreute Wohnformen stationären Einrichtungen gleichgestellt, wenn die in der ambulant betreuten Wohnform extern angebotenen Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege als Rundumdie-Uhr-Versorgung durch professionelle Betreuungs- oder Pflegekräfte zur Verfügung gestellt oder vorgehalten werden und der Anbieter der extern angebotenen Betreuungs- und Pflegeleistungen nicht frei wählbar ist[2].

Die Regelung des § 5 Abs. 3 VBVG wurde durch das Gesetz zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung vom 22.06.2019[3] eingeführt. Da die Regelung jedoch nur dazu dient, die pauschalierten Zeitansätze festzulegen, und diese daher in der Praxis handhabbar bleiben muss, wird die Anwendung der reduzierten Zeitansätze lediglich auf solche ambulant betreuten Wohnformen ausgedehnt, die sich entweder durch eine permanente Präsenz oder durch eine ständige Erreichbarkeit[4] professioneller Pflege- oder Betreuungskräfte auszeichnen. Eine inhaltliche Änderung gegenüber der bisherigen Regelung, die insoweit auf den Begriff des Heims nach dem Heimgesetz abgestellt hatte, war nicht beabsichtigt. Die von der Rechtsprechung bislang zur Definition des Begriffs „Heim“ entwickelten Grundsätze sollten weiterhin Gültigkeit behalten[5].

In den an die Stelle des Heimgesetzes getretenen Ländergesetzen wird allerdings überwiegend nicht mehr, wie noch im Heimgesetz, auf ein Angebot von Verpflegung abgestellt, sondern allgemein auf das Angebot von Pflege- oder Betreuungsleistungen[6].

Gemessen daran kann im hier entschiedenen Fall nicht von einer stationären Einrichtung oder einer dieser gleichgestellten ambulanten Betreuungsform ausgegangen werden: Wie sich der Bescheinigung der Einrichtung vom 19.11.2020 entnehmen lässt, ist im Rahmen des mit dem Betroffenen abgeschlossenen Wohn- und Betreuungsvertrags nur der Bereich des Wohnens geregelt[7]. Der Betroffene versorgt sich derzeit selbst und nimmt zweimal wöchentlich am gemeinsamen Mittagessen teil. Wenn auch der Verpflegung nach der Gesetzesänderung nicht mehr ein so hoher Stellenwert zukommt, zeigt sich jedoch, dass die Voraussetzungen des vergütungsrechtlichen Heimbegriffs nicht erfüllt sind, weil der Betroffene nicht rund um die Uhr versorgt wird. Außerdem werden Wohnraum, Verpflegung und tatsächliche Betreuung nicht „aus einer Hand“ zur Verfügung gestellt. Schließlich kann der Betroffene nach der vorgelegten Bescheinigung im Rahmen seines Wunsch- und Wahlrechts nach § 8 SGB IX selbst die für ihn darüber hinaus erforderlichen Eingliederungshilfeleistungen gegebenenfalls bei unterschiedlichen Trägern auswählen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19. Januar 2022 – XII ZB 324/21

  1. im Anschluss an BGH, Beschluss vom 16.06.2021 XII ZB 46/21 MDR 2021, 1157[]
  2. BGH, Beschluss vom 16.06.2021 XII ZB 46/21 MDR 2021, 1157 Rn. 10[]
  3. BGBl. I S. 866[]
  4. zum Beispiel in Form einer Nacht- und Rufbereitschaft[]
  5. BGH, Beschluss vom 16.06.2021 XII ZB 46/21 MDR 2021, 1157 Rn. 13 mwN[]
  6. BT-Drs.19/8694 S. 29[]
  7. also der mietvertragliche Teil und die Eingliederungshilfeleistungen im Zusammenhang mit dem Bereich Wohnen[]