Mit der Höhe der Betreuervergütung nach Absolvierung eines Studiums der Wirtschaftsinformatik an der Technischen Hochschule „Carl Schorlemmer“ hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen:

Die Betreuerin, die mit Beschluss des Amtsgerichts zur Berufsbetreuerin der mittellosen Betroffenen bestellt wurde, hatte zunächst eine Ausbildung zur Industriekauffrau abgeschlossen. Im Zeitraum von 1986 bis zum 30.09.1991 studierte sie an der Technischen Hochschule „Carl Schorlemmer“ in Leuna-Merseburg in der Fachrichtung Mathematische Methoden und Datenverarbeitung in der Wirtschaft. Die Fachrichtung wurde während des laufenden Studiums in Wirtschaftsinformatik umbenannt.
Die Betreuerin hat beantragt, die Vergütung für ihre Betreuertätigkeit unter Zugrundelegung eines erhöhten Stundensatzes von 44 € gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG aF auf insgesamt 2.970 € festzusetzen. Das Amtsgericht Cottbus, das die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung der Betreuerin unter Zugrundelegung eines herabgesetzten Stundensatzes von 33, 50 € im Verwaltungsverfahren auf insgesamt 2.261, 25 € festgesetzt hatte, hat den weitergehenden Vergütungsantrag zurückgewiesen[1]. Auf die Beschwerde der Betreuerin hat das Landgericht Cottbus den amtsgerichtlichen Beschluss abgeändert und die Vergütung der Betreuerin antragsgemäß auf 2.970 € festgesetzt[2]. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Staatskasse eine Herabsetzung der Vergütung auf insgesamt 1.822, 50 € unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 27 € und erhielt nun vom Bundesgerichtshof Recht, der die Sache unter Aufhebung der Beschwerdeentscheidung an das Landgericht Cottbus zurückverwies:
Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG in der hier maßgeblichen bis zum 26.07.2019 geltenden Fassung (§ 12 VBVG) beträgt der Stundensatz eines Berufsbetreuers 44 €, wenn der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, verfügt und diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind.
Besondere und für die Betreuung nutzbare Kenntnisse im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG sind solche, die über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehen und den Betreuer in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen[3].
Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG rechtfertigen besondere betreuungsrelevante Kenntnisse eines Betreuers einen höheren Stundensatz jedoch nur, wenn sie durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind. Davon ist auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und dadurch das erworbene betreuungsrelevante Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht. Erforderlich ist daher, dass die Ausbildung in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist. Wissen, das durch Lebenserfahrung, Fortbildungen oder Berufspraxis erworben wurde, führt ebenso wenig zu einer erhöhten Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG wie betreuungsrelevante Kenntnisse, die gleichsam nur am Rande des Studiums vermittelt wurden[4].
Bei der Entscheidung über eine erhöhte Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG muss das Gericht eine konkrete Betrachtung des tatsächlichen Inhalts der Ausbildung vornehmen, insbesondere den Umfang der für die Betreuung nutzbaren Ausbildungsinhalte bzw. deren Anteil an der Gesamtausbildungszeit feststellen und in die Würdigung einbeziehen, inwieweit diese Kenntnisse selbständiger und maßgeblicher Teil der Abschlussprüfung sind. Der Umfang bzw. Anteil der Vermittlung für die Betreuung nutzbarer Kenntnisse muss dabei nicht so genau festgestellt werden, dass ein exakter Prozentanteil angegeben werden kann. Es genügt, wenn aufgrund des erkennbaren zeitlichen Aufwands oder anderer Anhaltspunkte feststeht, dass ein erheblicher Teil der Ausbildungszeit auf die Vermittlung solchen Wissens fällt[5].
Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, die gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat[6].
Einer solchen Überprüfung hält die tatrichterliche Würdigung des Landgerichts nicht stand, wonach das von der Betreuerin abgeschlossene Studium der Wirtschaftsinformatik eine Erhöhung des Stundensatzes auf 44 € rechtfertige. Das Landgericht hat bereits die generelle Zielrichtung des Studiums, nämlich die Absolventen zu befähigen, einen spezifischen Beitrag zur breiten und schnellen Anwendung der Informatik in ökonomischen Bereichen zu leisten, nicht daraufhin in den Blick genommen, ob es Parallelen zu betreuungsrelevanten Aufgabenstellungen aufweist.
Wie der Bundesgerichtshof zudem bereits entschieden hat, vermitteln das Fach „Leitung in der sozialistischen Wirtschaft“ keine betreuungsrelevanten Fähigkeiten und die Fächer „Informationsverarbeitung“ und „Sozialistische Betriebswirtschaft“ allenfalls solche von untergeordneter Bedeutung[7]. Für die Fächer „Sozialistische Volkswirtschaft“ und „Wirtschaftsmathematik“ hat der Bundesgerichtshof tatrichterliche Würdigungen gebilligt, wonach diese kein betreuungsrelevantes Wissen vermitteln[8].
Im Hinblick auf das Vorstehende enthält der angefochtene Beschluss keine ausreichenden Feststellungen dazu, dass das von der Betreuerin absolvierte Studium in erheblichen Teilen der Ausbildungszeit betreuungsrelevantes Wissen vermittelt hat und dies auch dem Kernbereich des Studiums zuzurechnen, nicht nur an dessen Rand erfolgt ist.
Der angefochtene Beschluss des Landgerichts Cottbus konnte daher keinen Bestand haben. Der Bundesgerichtshof kann nicht abschließend entscheiden, da er aufgrund der unzureichenden Feststellungen über den Gegenstand der einzelnen Ausbildungsinhalte und deren Betreuungsrelevanz keine eigene Beurteilung in der Sache treffen kann und darüber hinaus wegen der von der Betreuerin vor dem Studium absolvierten Berufsausbildung ggf. die Frage einer Vergütungserhöhung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VBVG aF tatrichterlich zu beurteilen sein wird.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 9. März 2022 – XII ZB 539/21
- AG Cottbus, Beschluss vom 10.10.2017 – 22 XVII 140/15[↩]
- LG Cottbus, Beschluss vom 21.10.2021 – 7 T 170/18[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 29.01.2020 – XII ZB 530/19 , FamRZ 2020, 787 Rn. 10 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 29.01.2020 – XII ZB 530/19 , FamRZ 2020, 787 Rn. 11 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 29.01.2020 – XII ZB 530/19 , FamRZ 2020, 787 Rn. 12 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 29.01.2020 – XII ZB 530/19 , FamRZ 2020, 787 Rn. 13 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 21.10.2020 – XII ZB 363/20 – Rpfleger 2021, 218 Rn. 17[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 25.03.2015 – XII ZB 558/14 – BtPrax 2015, 155 Rn. 5; und vom 15.12.2021 – XII ZB 101/21 5[↩]