Betreuervergütung für die in einer Wohngruppe lebende Betreute

Lebt die Betroffene im Rahmen einer Leistungsgewährung der Eingliederungshilfe nach §§ 102 Abs. 1, 105 Abs. 1 SGB IX in einem eigenen Zimmer einer Außenwohngruppe, in der Unterstützungsleistungen angeboten werden, zu deren Inanspruchnahme die Betroffene jedoch nicht verpflichtet ist, hält sie sich grundsätzlich nicht in einer einer stationären Einrichtung gleichgestellten ambulant betreuten Wohnform i.S.v. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, Satz 3 VBVG auf.

Betreuervergütung für die in einer Wohngruppe lebende Betreute

Nach § 5 Abs. 1 VBVG in der hier maßgeblichen, ab dem 27.07.2019 geltenden Fassung (Art. 4 des Gesetzes zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung vom 22.06.2019[1]) richtet sich die Höhe der Fallpauschalen, die ein Berufsbetreuer nach § 4 Abs. 1 VBVG als Vergütung verlangen kann, nach der Dauer der Betreuung, dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betreuten und dessen Vermögensstatus. Hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Betreuten ist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 VBVG zwischen stationären Einrichtungen und diesen nach Satz 3 gleichgestellten ambulant betreuten Wohnformen einerseits und anderen Wohnformen andererseits zu unterscheiden. Mit der Erweiterung des § 5 Abs. 3 VBVG durch das Gesetz zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung vom 22.06.2019 auf „gleichgestellte“ Wohnformen sollten nach dem Willen des Gesetzgebers bestimmte ambulant betreute Wohnformen typisierend erfasst werden, bei denen aus strukturellen Gründen der Aufwand für die rechtliche Betreuung dem Aufwand für Betreute in stationären Einrichtungen gleicht[2].

Dabei liegt der gesetzlichen Regelung – wie bereits § 5 Abs. 3 VBVG aF die Vorstellung zugrunde, dass der Aufwand der rechtlichen Betreuung geringer ist, wenn der Betreute in einem Heim bzw. in einer ambulant betreuten Wohnform lebt[3] und deshalb eine Herabsetzung der monatlichen Fallpauschale gerechtfertigt ist. Unerheblich ist hierbei, ob der Betreuer durch den Aufenthalt des Betreuten in einem Heim bzw. in einer ambulant betreuten Wohnform tatsächlich entlastet ist[4].

Ambulant betreute Wohnformen sind gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VBVG entgeltliche Angebote, die dem Zweck dienen, Volljährigen das Leben in einem gemeinsamen Haushalt oder einer Wohnung bei gleichzeitiger Inanspruchnahme extern angebotener entgeltlicher Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege zu ermöglichen. Sie sind stationären Einrichtungen dann gleichgestellt, wenn die in der ambulant betreuten Wohnform extern angebotenen Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege als Rund-um-die-Uhr-Versorgung durch professionelle Betreuungs- oder Pflegekräfte zur Verfügung gestellt oder vorgehalten werden und der Anbieter der extern angebotenen Betreuungs- und Pflegeleistungen nicht frei wählbar ist (§ 5 Abs. 3 Satz 3 VBVG).

Ist im Einzelfall zweifelhaft, welcher Wohnform des § 5 Abs. 3 Satz 1 VBVG der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen entspricht, ist dem durch eine teleologische Auslegung der Vorschrift zu begegnen. Da dem Gesetz die Vorstellung zugrunde liegt, dass sich der Aufwand der rechtlichen Betreuung erheblich danach unterscheidet, ob der Betreute zuhause oder in einem Heim bzw. in einer ambulant betreuten Wohnform lebt[3], ist für die Auslegung entscheidend, ob die in der Einrichtung angebotenen Versorgungs- und Pflegeleistungen generell geeignet sind, einem Betreuer die Organisation des Lebens des Betreuten im Wesentlichen abzunehmen[5]. Anders als nach bisherigem Recht (vgl. § 5 Abs. 3 VBVG) ist es allerdings nicht mehr von entscheidender Bedeutung, ob dem Betreuten Verpflegung zur Verfügung gestellt wird[6].

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Beschwerdegericht im vorliegenden Fall zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei dem von der Betroffenen angemieteten Zimmer in der Außenwohngruppe nicht um eine einer stationären Einrichtung gleichgestellte ambulant betreute Wohnform i.S.v. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, Satz 3 VBVG handelt, weil von dem Träger der Einrichtung tatsächliche Betreuung oder Pflege nicht in dem Maß zur Verfügung gestellt oder vorgehalten wird, dass dem Betreuer die Organisation des Lebens der Betreuten im Wesentlichen abgenommen wird.

Nach den getroffenen Feststellungen beschränken sich die Leistungen, die die Betroffene aufgrund des mit der B. gGmbH abgeschlossenen Wohn- und Betreuungsvertrags erhält, auf die entgeltliche Überlassung eines eigenen Zimmers sowie die Nutzung der Gemeinschaftsflächen in einer Außenwohngruppe der Einrichtung und auf die Möglichkeit, Fachleistungen der Eingliederungshilfe nach Maßgabe der Regelungen in Teil 2 im Neunten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nehmen zu können. Die Betroffene muss sich jedoch selbständig versorgen und ihr Zimmer regelmäßig reinigen. Eine Unterstützung in Vermögensangelegenheiten erfährt die Betroffene nur insoweit, als die Einrichtung die Möglichkeit einer Verwahrgeldverwaltung zur Unterstützung bei der Geldeinteilung anbietet. Allgemeine Pflegeleistungen und häusliche Krankenpflege sind nicht Gegenstand des Wohn- und Betreuungsvertrags. Im Bedarfsfall wird lediglich eine Vermittlungshilfe unter Beachtung des Rechts zur freien Arztwahl bzw. zur freien Wahl des Leistungserbringers angeboten. Vorliegend ist die Betroffene auch nicht verpflichtet, nur die von dem Träger der Einrichtung vorgehaltenen Unterstützungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Ihr steht es vielmehr frei, diese im Rahmen der Eingliederungshilfe angebotenen Betreuungsangebote zu nutzen oder sich zur Regelung ihrer Angelegenheiten anderer Hilfen zu bedienen. Schließlich hält der Träger der Einrichtung auch keine Rund-um-die Uhr-Versorgung der Bewohner der Außenwohngruppe vor. Die Rechtsbeschwerde führt selbst aus, dass die für die Unterstützung der Bewohner zuständigen Fachkräfte nur während der üblichen Büroöffnungszeiten in der Einrichtung anwesend sind und darüber hinaus nur ein Notfalldienst in Form einer Rufbereitschaft besteht. Die Betroffene kann daher gerade nicht auf einen professionellen Organisationsapparat zurückgreifen, wie es ihr in einer stationären oder gleichgestellten Einrichtung möglich wäre.

Deshalb erfüllt die Außenwohngruppe, in der die Betroffene während des verfahrensgegenständlichen Zeitraums ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, nicht die Voraussetzungen für eine einer stationären Einrichtung gleichgestellte ambulant betreute Wohnform i.S.v. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, Satz 3 VBVG.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 5. Mai 2021 – XII ZB 580/20

  1. BGBl. I S. 866[]
  2. BT-Drs.19/8694 S. 28[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 04.11.2020 – XII ZB 436/19 – MDR 2021, 326 Rn. 9 mwN zu § 5 Abs. 3 VBVG aF[][]
  4. vgl. MünchKommBGB/Fröschle 8. Aufl. § 5 VBVG Rn. 27 f.[]
  5. vgl. MünchKommBGB/Fröschle 8. Aufl. § 5 VBVG Rn. 33[]
  6. vgl. BT-Drs.19/8694 S. 29[]